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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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schützen.«
    »Was ist, wenn sie zu dumm sind, um diese Gesetze zu kennen? Oder zu große Angst haben, davon Gebrauch zu machen? Ein Mädchen landet per Bus in der Stadt, kommt von irgendeinem Hof oder Dorf, doof und unternehmungslustig, und will was Aufregendes erleben. Und bei der ersten Gelegenheit ist sie pleite und hat Angst und ist bereit, auf den Strich zu gehen.« LaPointe denkt in diesem Moment an Scheers Mädchen.
    »Also, gut«, räumt Guttmann ein. »Gegen Leute wie Scheer muß man was unternehmen. Strengere Gesetze, vielleicht. Aber man kann sie doch um Gottes willen nicht mitten auf der Straße abfangen und vor allen Leuten zur Minna machen!«
    LaPointe schüttelt den Kopf. »Man muß die Menschen dort treffen, wo sie ihre schwachen Stellen haben. Scheer ist ein Wichtigtuer und Klugscheißer. Blamieren Sie ihn in aller Öffentlichkeit, und er ist für 'ne Weile weg vom Fenster. Das kommt ganz auf den einzelnen an. Dem einen muß man drohen, dem anderen muß man weh tun, den dritten muß man blamieren.«
    Guttmann hebt die Handflächen und schaut mit runden Augen um sich rum, als wolle er Gott anrufen, er möge sich diese Scheiße nur mal anhören. »Ich traue meinen Ohren nicht, Sir. Dem einen tun Sie weh, dem andern drohen Sie, den dritten blamieren Sie – was soll das heißen, eine Nazi-Litanei? Das sollen Mittel zur Erhaltung des Friedens sein?«
    »Das hat man Ihnen wohl doch nicht auf dem College beigebracht?«
    »Nein, Sir.«
    »Und Sie würden alles streng nach Vorschrift machen?«
    »Ich würd' mich bemühen. Ja.« So einfach ist das, es ist die Wahrheit. »Und wenn die Vorschrift falsch ist, würde ich alles daransetzen, sie zu ändern. So funktioniert das in der Demokratie.«
    »So, so. Also, nach der Vorschrift hat der Vet ein Verbrechen begangen, ist doch so oder? Er hat Geld aus einer Brieftasche genommen. Würden Sie ihn nun einbuchten? Ihn bis ans Ende seiner Tage schreien lassen?«
    Guttmann schweigt. Er ist sich nicht sicher. Nein, wahrscheinlich nicht.
    »Aber das hieße, nach der Vorschrift verfahren. Wissen Sie noch, dieser fou, der die Messer schleift und Angst vorm Schnee hat? Der riecht doch nur so nach Mord. Sie haben das ja selber fast gewittert. Und wissen Sie, was passieren würde, wenn Sie ihn zum Verhör brächten? Er würde durchdrehen und Angst kriegen, und schließlich würde er gestehen. O ja. Er würde alles gestehen, was Sie wollen. Und der Commissioner wäre glücklich, und die Zeitungen wären glücklich, und Sie selber würden befördert.«
    »Nun … ich kannte ihn ja nicht. Ich wußte nicht, daß er …«
    »Das ist es. Sie wissen es nicht. Die Vorschrift weiß es nicht.«
    Guttmann bekommt rote Ohren. »Aber Sie wissen es?«
    »Stimmt. Ich weiß es. Nach dreißig Jahren weiß ich es! Ich weiß den Unterschied zwischen einem harmlosen Irren und einem Mörder. Ich weiß den Unterschied zwischen Shit-Einstichen im Arm und Narben vom Blutspenden, damit man am Leben bleibt!«
    Mit einem gutturalen Laut und einem Abwinken gibt LaPointe es auf, einem Typ wie Guttmann irgendwas erklären zu wollen.
    Guttmann sitzt da und schiebt schweigend seinen Löffel zwischen den Fingern hin und her. Er gibt sich nicht geschlagen. Er spricht ruhig, ohne aufzusehen: »Das ist Faschismus, Sir.«
    »Was?«
    »Das ist Faschismus. Die Herrschaft eines Menschen statt der Herrschaft des Gesetzes ist Faschismus. Selbst wenn der Mensch alles kennt und alles weiß und glaubt, er wüßte es ganz genau … selbst wenn dieser Mensch sich bemüht, Gutes zu tun … gerecht zu sein. Es ist immer noch Faschismus.«
    Einen Augenblick lang ruhen LaPointes traurige Augen auf dem jungen Mann, dann schaut er über seinen Kopf hinweg auf den bunten chinesischen Wandbehang und die Cola-Reklame.
    Guttmann erwartet ein Dementi. Wut. Eine Erklärung.
    Aber es kommt anders. Nach kurzem Schweigen sagt LaPointe: »Faschismus, so?« Der Ton läßt erkennen, daß er es so noch nie gesehen hat. Mehr läßt er nicht erkennen.
    Und wieder fühlt sich Guttmann unterlaufen, übergangen.
    LaPointe drückt Daumen und Zeigefinger in die Augenhöhlen und seufzt tief. »Also, ich glaube, wir gehen jetzt am besten schlafen. Man kann ›die Sitze‹ genauso im Hirn kriegen wie im Arsch.«
    Er schnieft und reibt sich mit den Knöcheln die Backe.
    Guttmann ist noch nicht so weit. »Sir? Darf ich Sie mal was fragen?«
    »Über den Faschismus?«
    »Nein, Sir. Auf dem Verschiebebahnhof vorhin – dieser Penner wollte mich

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