Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
der Hand glatt. »Hier. Ich hab' heute zu tun. Sie können gehen und sich ein Kleid kaufen.«
Sie nimmt die Scheine und zählt nach. Vielleicht weiß er nicht, was ein Kleid kostet. Um so besser für sie.
»Das reicht auch noch für einen Mantel«, sagt er.
»Ach? Na schön.« Vor dem Einschlafen gestern abend hatte sie schon daran gedacht, ihn um Geld zu bitten, wußte aber nicht recht, wie sie das anfangen sollte. Sie hatten schließlich nicht miteinander gebumst. Er war ihr nichts schuldig.
Während sie dasitzt und aus dem Fenster schaut und über das Kleid und den Mantel nachdenkt, mustert LaPointe ihr Gesicht. Ihr grüner Lidschatten verdeckt, was von dem blauen Auge übrig ist. Es ist ein nettes, keckes Gesicht. Nicht hübsch, aber die Art, die man gerne in den Händen halten möchte. Es fällt ihm auf, daß er sie noch nie geküßt hat.
»Marie-Louise?« sagt er ruhig.
Sie wendet sich ihm zu, die Augenbrauen fragend hochgezogen.
Er schaut hinunter auf den Park, der farblos unter dem gärenden Himmel daliegt. »Schließen wir ein Abkommen, Marie-Louise. Was mich betrifft – ich hab' Sie gerne hier, habe Sie gern um mich. Ich glaube, wir werden uns schon mal lieben, und es wird mir Vergnügen machen. Ich meine … also, natürlich wird es mir Vergnügen machen. Okay. Jetzt zu Ihnen. Ich glaube, hier haben Sie es besser, als wenn Sie sich die Nächte in Parks oder an Bushaltestellen um die Ohren schlagen. Aber … Sie finden's hier langweilig. Und früher oder später werden Sie weggehen, anderswohin. Gut. Wahrscheinlich sind Sie mir bis dahin auch zuviel. Sie können Geld haben und sich dafür was zum Anziehen kaufen. Wenn Sie noch was anderes brauchen, gebe ich Ihnen gern auch dafür was. Aber ich bin keiner, den man ausnimmt, und ich möchte nicht, daß Sie mich dafür halten. Also versuchen Sie nicht, mich reinzulegen, und verarschen Sie mich nicht. Das wäre nicht fair, und es würde mich wütend machen. Ist das ein Vorschlag?«
Marie-Louise schaut ihn fest an und versucht zu verstehen, worauf er hinaus will. Sie ist eine solche Offenheit nicht gewöhnt und fühlt sich nicht gerade wohl dabei. Sie wünschte, sie hätten gebumst und er hätte sie dafür bezahlt. Das wäre eine saubere Sache. Das ist leicht zu begreifen. Sie hat das Gefühl, als werfe man ihr etwas vor oder habe sie bei etwas ertappt.
»Ich wußte, daß in der Schublade Geld liegt«, wehrt sie sich. »Ich hab' mich gestern abend umgesehen und es gefunden.«
»Aber Sie haben es nicht genommen und sind weggelaufen. Warum?«
Sie zuckt die Achseln. Sie weiß nicht, warum. Sie ist kein Dieb, das ist alles. Vielleicht hätte sie es nehmen sollen. Vielleicht nimmt sie es auch eines Tages. Jedenfalls mag sie diese Unterhaltung nicht. »Schaun Sie, ich geh' jetzt lieber. Oder wollen Sie mitkommen einkaufen?«
»Nein, ich habe zu tun –« LaPointe hört unten auf der Straße eine Autotür zuschlagen. Er erhebt sich halb in seinem Lehnstuhl und lugt durchs Fenster runter. Guttmann ist gerade aus einem kleinen gelben Sportwagen ausgestiegen und schaut die Häuserreihe entlang nach der Hausnummer.
LaPointe zieht eilig seinen Mantel an. Er möchte nicht, daß Guttmann Marie-Louise sieht und Fragen stellt oder, was noch schlimmer wäre, Fragen betont vermeidet. Der Ärmel seines Jacketts rutscht hoch, und er muß im Mantelärmel nach ihm fischen und ihn runterziehen. »Okay«, sagt er. »Also bis heute abend.«
»Okay.«
»Bis wann werden Sie mit Einkaufen fertig sein?«
»Ich weiß nicht.«
»Fünf? Halb sechs?«
»Okay.«
Als er die schmale Treppe runterwuchtet, brummelt er vor sich hin. Sie ist zu passiv. Nichts bedeutet ihr was. Wollen Sie Kaffee? Okay. Auch wenn sie gar keinen Kaffee mag. Essen wir um fünf? Okay. Wollen Sie bei mir bleiben? Okay. Wollen Sie gehen? Okay. Sollen wir uns lieben? Okay. Sollen wir es draußen auf dem Treppenabsatz treiben? Okay.
Alles ist ihr egal. Nichts macht ihr was aus.
Guttmann hat noch den Finger auf dem Klingelknopf, als die Haustür aufgerissen wird und LaPointe heraustritt.
»Morgen,' Sir.«
LaPointe knöpft sich den Mantel zu. »Ihr Wagen?« fragt er und zeigt mit dem Kinn auf das neue kleine gelbe Sportmodell.
»Ja, Sir«, sagt Guttmann mit einem Anflug von Stolz und dreht sich auf den Stufen um.
»Hm!« Offensichtlich hat der Lieutenant nichts für Sportwagen übrig.
Doch Guttmann ist zu gut gelaunt, als daß ihn LaPointes Vorurteile treffen könnten. »Das heißt, der Wagen
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