Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
gehört mir und der Bank. Mir gehören, glaube ich, der Aschenbecher und ein Scheinwerfer.« Seine Aufgekratztheit rührt von einem seltenen Glücksfall her. Als er am Morgen das Mädchen anrief, um ihr abzusagen, fand sie das sogar gut, weil sie, wie sie ihm sagte, einen entsetzlichen Schnupfen hätte und gern im Bett bleiben würde, um ihn loszuwerden. Seine Enttäuschung klang direkt echt, und er machte mit ihr aus, daß er heute abend kurz bei ihr vorbeischauen würde.
LaPointe kommt kaum in den winzigen Wagen rein und brummt, als er sich beim Zuschlagen der Wagentür den Mantelsaum einklemmt und er sie wieder aufmachen muß. Er kommt sich richtig albern vor in so einem kleinen gelben Flitzer. Lieber würde er laufen. Könnte dann die Straße inspizieren. Guttmann, obwohl größer als LaPointe, schlüpft ganz leicht rein. Mit einem sonoren Aufheulen zieht der Wagen an und weg vom Bordstein.
LaPointe verdreht sich den Hals, um zu sehen, ob Marie-Louise ihm vom Fenster aus nachschaut. Nichts.
Auf der Clark finden sie einen halben Häuserblock von der Pension entfernt einen Parkplatz. Beim Öffnen scharrt LaPointe die Tür gegen die hohe Bordsteinkante; Guttmann schließt die Augen und zuckt zusammen. LaPointe brummt etwas von dämlichen Spielzeugautos, während er sich rauszwängt und wütend die Tür hinter sich zuschmeißt. Weil es Samstag ist, sind die Straßen voller Jugendlicher; einer macht gerade in seinem Ledgey-Spiel eine Pause und bemerkt laut, alte Männer sollten nicht in kleinen Autos herumsausen. LaPointe hebt den Handrücken, doch der Junge starrt ihn nur herausfordernd an und wischt sich würdevoll die Nase am Ärmel eines zu weiten Pullovers. LaPointe kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Ein rotzfrecher Bengel, typisch frankokanadisch. Ein 'tit coq.
Die Pension ist wie alle im Umkreis der Main: stumpfe Ziegel, die mal wieder gestrichen werden müßten; dreckige Fenster mit Vorhängen aus grauem Stoff, der runterhängt wie ein nasser Lappen; ein fliegendreckbesprenkeltes Schild im Fenster des ersten Stocks mit dem Hinweis: Zimmer frei. Das muß nicht unbedingt heißen, daß auch wirklich welche frei sind. Wahrscheinlich ist die Concierge nur zu faul, das Schild jedesmal, wenn ein Kurzmieter kommt oder geht, raus- und reinzustellen. LaPointe steigt die hölzerne Vortreppe rauf und dreht an der altmodischen Glocke, die stumpf rasselt. Kaputt. Als keiner aufmacht, hämmert er an die Tür. Guttmann steht jetzt auch auf dem Treppenabsatz und schaut sich nervös zu der Schar abgerissener Bengel um, die seinen Wagen umlagern. LaPointe hämmert stärker und rüttelt am Fenster.
Fast im selben Augenblick wird die Tür von einer schlampig gekleideten Frau aufgerissen, die eine dünne graue Haarlocke zurückschiebt und sie anknurrt: »He! Was, zum Teufel, ist denn mit euch los? Wollt ihr mir die Tür demolieren?« Ihre Unterlippe ist geschwollen und aufgeschlagen, von einem Hieb, den ihr jemand vor kurzem versetzt haben muß.
»Polizei«, sagt LaPointe und hält sich nicht damit auf, sich auszuweisen.
Sie schaut schnell von LaPointe zu Guttmann, tritt dann von der Tür zurück. Sie gehen in eine Diele, die nach Lysol und Kohl riecht. Die Frau hat von Wut auf gespannte Unsicherheit umgeschaltet. »Was wollen Sie?« fragt sie und berührt die aufgesprungene Lippe behutsam mit zwei Fingern.
Der vorfühlende Frageton läßt LaPointe aufhorchen. Sie hat vor irgend etwas Angst. Er weiß nicht, vor was, und es ist ihm auch egal, aber er wird ein wenig nachstoßen, um ihr einen Schreck einzujagen und sie kooperativ zu machen. »Routinefragen«, sagt er. »Aber nicht hier in der Diele.«
Sie zuckt die Achseln und geht in Ihre Wohnung, ohne sie hereinzubitten, läßt aber die Tür hinter sich auf. LaPointe folgt ihr und schaut sich um, während Guttmann, ein bißchen nervös, höflich lächelt und die Tür hinter sich zumacht. Ohne Haussuchungsbefehl sollte man eigentlich warten, bis man hereingebeten wird. Das kleine Zimmer ist vollgestellt mit altem Trödel und überheizt durch eine viel zu große elektrische Heizung, die sie benutzt, weil es sie nichts kostet. Das geht auf die Monatsrechnung des Hauswirts. Sie überheizt das Zimmer nur, weil sie meint, sie würde sonst Geld verlieren. LaPointe kennt diesen Typ, und er weiß, wie man mit ihm umgeht. Er knöpft sich den Mantel auf und wendet sich der Frau zu, gerade als sie nervös aus dem Fenster schaut. Sie erwartet jemanden. Jemanden, von dem sie hofft, er
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