Ein Herzschlag danach
ihn. Er gab Gas und raste die Straße hinunter. Aua. Etwas Hartes, Metallisches stieß gegen meinen Bauch; als mir klar wurde, dass es der Griff einer Pistole war, rückte ich schnell ein wenig von ihm weg. Ich war sicher, dass Alex vorher keine Waffe getragen hatte. Woher hatte er so plötzlich eine Pistole? Und was mir noch mehr zu denken gab: Warum hatte er es für nötig gehalten, eine Waffe einzustecken, als er sich an meine Verfolgung gemacht hatte? Hatte er etwa im Sinn gehabt, mich umzulegen, wenn ich mich geweigert hätte mitzukommen?
Vor einem modernen Wohnblock bremste Alex ab und bog scharf in die Zufahrt zu einer Tiefgarage ein. An der Schranke tippte er einen Code ein. Schon ließen wir die gleißende Nachmittagssonne hinter uns und tauchten in die feuchtkühle Finsternis des Untergeschosses ein. Er steuerte das Motorrad um ein paar Pfeiler herum, hielt neben einem Aufzug an und stieg ab. Ich sprang vom Sitz. Er ließ mich eine Weile an meinem Helmverschluss herumfummeln, dann trat er grinsend näher und half mir.
Ich öffnete den Mund, aber er hatte meine Frage wohl schon erwartet. »Meine Wohnung«, sagte er knapp.
Ich nickte. Natürlich. Genau so hatte ich mir sein Haus vorgestellt.
»Komm.« Wir stiegen in den Aufzug und er drückte auf den Knopf für den sechsten Stock.
Saras Beschreibung traf zu: Alex’ Wohnung war sehr minimalistisch eingerichtet. Der Boden bestand aus hellen Holzdielen; die Wände waren weiß und kahl. Jedes Geräusch hallte zurück wie in einer brandneuen Wohnung, die auf ihren ersten Bewohner wartete.
Alex ging an mir vorbei und führte mich ins Wohnzimmer. Hier sah es ein bisschen besser aus. Immerhin gab es da ein weiches schwarzes Sofa und einen kleinen Couchtisch mit Glasplatte. Ihm gegenüber war ein riesiger TV -Flachbildschirm. Den Boden bedeckte ein cremefarbener Flokatiteppich. Aber mein Blick wurde sofort von der gegenüberliegenden Wand angezogen.
Sie bestand aus einem einzigen riesigen Fenster, das vom Boden bis zur Decke reichte, mit einer atemberaubenden Aussicht auf Harbor Beach und den Pier. Ich trat heran und sah auf die kleinen Menschen herab, die auf der Straße vorbeihasteten, auf dem Gehweg Skateboard fuhren oder sich am Strand in Reih und Glied in der Sonne rekelten wie gelbe und rote Gummibärchen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich einen schwarzen Geländewagen auf dem Gehweg gegenüber vom Haupteingang. Ich konnte nicht erkennen, ob es dasselbe Fahrzeug war, das vor Jacks Haus geparkt hatte, aber es sah sehr ähnlich aus. Ich fragte mich, was der Wagen hier zu suchen hatte. Rechneten Jacks Leute nicht damit, dass Suki vor seinem Haus wieder auftauchen würde?
»Ich gehe nur mal schnell unter die Dusche«, verkündete Alex. Er beäugte mich misstrauisch. »Nicht abhauen!« Seine Stimme klang freundlich, hatte aber einen warnenden Unterton.
Ich nickte brav. »Ich versuche mich zu beherrschen.«
Er schenkte mir ein müdes Grinsen und ging hinaus. Die Tür ließ er halb offen. Eine Minute später hörte ich das Rauschen der Dusche. Ich musste mich wirklich sehr zurückhalten, um ihm nicht ins Bad nachzulaufen.
Eine Weile stand ich zögernd da, dann siegte die Neugier. Auf Zehenspitzen schlich ich in den Flur und blieb vor einer offenen Tür stehen: das Schlafzimmer. Ein Doppelfuton beherrschte den Raum. Die gegenüberliegende Wand wurde von einem großen Schrank mit Schiebetüren eingenommen. Neben dem Bett ragte ein turmartiger Bücherstapel empor; daneben stand ein Wecker. Eine weitere Tür führte ins Bad; sie stand ebenfalls halb offen und Dampfwolken quollen heraus. Bestimmt hatte Alex beide Türen zum Bad absichtlich nicht geschlossen, um hören zu können, ob ich noch einmal zu flüchten versuchte. Leise schlich ich ins Wohnzimmer zurück und stellte mich wieder an das Panoramafenster.
Der schwarze Geländewagen stand immer noch am Straßenrand. Ich versuchte das Nummernschild zu entziffern. Im selben Augenblick öffnete sich die Fahrertür und ein Mann in schwarzer Armeehose und schwarzem T-Shirt stieg aus. Er trug eine Sonnenbrille und blickte in beide Richtungen die Straße entlang, dann schaute er hoch zu Alex’ Wohnung. Ich trat schnell vom Fenster zurück und stieß dabei mit der Kniekehle gegen den Glastisch.
Plötzlich wurde mir alles klar. Die Männer in den schwarzen Klamotten bewachten gar nicht Jacks Haus – sie bewachten mich . Warum sonst sollten sie jetzt ausgerechnet hier vor Alex’ Wohnung herumhängen? Jedes
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