Ein Herzschlag danach
untergehakt und schmiegte sich an ihn.
»Das ist wohl kein Wunder.« Demos betrachtete mich immer noch. Seine Augen waren ausdruckslos und graublau wie ein Novemberhimmel. »Ich gebe dich jetzt frei, Lila, aber bitte versuch so etwas nicht noch einmal. Es ist zwecklos. Außerdem steht Jack direkt hinter dir. Du willst nicht, dass ihm etwas zustößt, oder?«
Mir war, als fielen zentnerschwere Eisenketten von mir ab. Plötzlich konnte ich mich wieder bewegen, meine Stimme kehrte zurück. Ich drehte langsam den Kopf. Jack kniete hinter mir, die Arme hingen kraftlos herab, er war starr, als wäre er mit Kunstharz übergossen worden. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte Demos aber seine Gedanken nicht abgeschaltet. Seine Miene zeigte reinen Schmerz und Verzweiflung.
Ich ließ mich neben ihm auf die Knie fallen und legte ihm die Arme um die Schultern. »Hört auf, ihm wehzutun!«, schrie ich.
»Ich tue ihm nicht weh«, sagte Demos lachend.
»Dann lasst ihn los!«
»Nein, jetzt noch nicht.«
Wütend blickte ich zu Demos auf und wünschte ihm den Tod. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie sich sein Kopf vom Rumpf trennte, wie ihm Arme und Beine aus dem Torso gerissen wurden. Aber nichts geschah. Der Mörder meiner Mutter stand nur ein paar Meter entfernt von mir und bedrohte meinen Bruder, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich fühlte mich hilflos.
»Er hat keine Schmerzen. Jedenfalls keine körperlichen.« Suki stakste näher an Jack heran und ich stellte mich schützend vor ihn.
Fast sofort hüpfte sie zu Demos zurück. » Wow , Jack ist so was von wütend! Er kann es nicht glauben, dass er uns hierhergeführt hat. Er ist stocksauer und macht sich die größten Vorwürfe.«
Sie ging einen Schritt auf ihn zu, bückte sich, um Jack direkt ins Gesicht zu sehen. »Es ist nicht deine Schuld. Wir hätten euch früher oder später sowieso gefunden … Nein, ist er nicht. Sorry.« Sie antwortete offenbar auf eine Frage, die Jack nur gedacht hatte. Jacks Augen versprühten pures Gift.
»Schau, dort ist er.« Suki trat zur Seite und deutete an Demos vorbei.
Ich folgte ihrem ausgestreckten Finger. Bei Alex’ Anblick setzte mein Herz kurz aus. War er zurückgekommen, um uns zu retten? Dann entdeckte ich die beiden Männer an seiner Seite und die Pistole, die ihm einer an die Schläfe hielt.
Ich sprang auf und rannte auf ihn zu. Bevor ich ihn erreicht hatte, blieben meine Füße plötzlich am Boden kleben und mein Körper erstarrte mitten im Lauf. Ich stand wie vor einer Mauer, nur wenige Meter von Alex’ Armen entfernt.
Eine dünne Blutspur zog sich von Alex’ linkem Auge über die Wange. Sie hatten ihn verletzt! Wut kochte in mir hoch. Dann konzentrierte ich mich auf die Pistole an seiner Schläfe. Im nächsten Moment flog sie über die Lichtung. Einen Sekundenbruchteil, bevor sie im Unterholz verschwand, hielt sie jedoch mitten im Flug an, drehte sich um und kam wie ein Bumerang wieder zu uns zurückgeflogen. Gleichzeitig wurden meine Gedanken wieder blockiert.
Der Mann neben Alex fing die Waffe auf und richtete sie erneut auf Alex. Ich erkannte ihn sofort – er war einer der Männer aus der Steckbriefdatei, die ich auf Jacks Computer gefunden hatte. Der Typ, der mir wie eine Bulldogge vorgekommen war. Wie hieß er noch mal?
»Bill, krieg dich wieder ein. Du weißt doch, mit wem wir es hier zu tun haben.«
Bill, genau, das war sein Name. Ein Telekinetiker wie ich.
»Tut mir leid, Boss.« Er runzelte die Stirn.
Ein Mobiltelefon schrillte und ich zuckte zusammen. Jetzt erst merkte ich, dass ich Arme und Beine wieder bewegen konnte.
»Gib mir sein Handy«, sagte Demos zu dem anderen Mann, der Alex bewachte. Er war ungefähr Mitte zwanzig und sah ziemlich frech aus. Auch ihn erkannte ich: Er hieß Ryder. Sein Sündenregister war so lang war wie Tolstois Krieg und Frieden und in dem Steckbrief wurde er als Sifter bezeichnet.
Ryder griff in Alex’ Gesäßtasche und zog das Handy heraus, das unschuldig vor sich hin dudelte. Er reichte es Demos.
»Hallo?«
Keys Stimme schallte über die Lichtung. »Alex, ich bin’s. Ihr müsst sofort verschwinden! Sie haben entdeckt, wo ihr seid, sie sind schon auf dem Weg … Sie werden euch erwischen, wenn ihr nicht gleich flieht!«
»Vielen Dank, wer immer Sie auch sein mögen. Sie sind leider ein bisschen zu spät dran.« Demos klappte das Handy zu und wandte sich an Alex. »Wie es scheint, müssen wir uns beeilen. Kommen wir also zur Sache.«
Hinter mir
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