Ein Herzschlag danach

hörte ich Jack brüllen: »Nimm sofort die Pfoten weg!«
    Ich drehte mich um. Jack wurde auf die Füße gezerrt. Diesen Mann erkannte ich ebenfalls: Harvey James. Er hatte eine Zigarette im Mundwinkel, genau wie auf dem Fahndungsfoto.
    Jack hatte die Arme zum Zeichen der Ergebung erhoben. Hinter ihm in der Luft schwebte eine Pistole. Offenbar war auch Harvey ein Telekinetiker. Ich überlegte, ob ich ihm die Waffe irgendwie wegnehmen könnte.
    »Das würde ich nicht versuchen, Lila. Ich kann zwar deine Gedanken nicht hören, aber sie sind ziemlich offensichtlich.«
    Ich wirbelte herum. Demos schaute mich unter schweren Augenlidern drohend an.
    Ich ignorierte ihn und wandte mich wieder zu Jack um. Es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben und nicht die Beherrschung zu verlieren.
    »Tut mir leid«, sagte er zu mir.
    Tränen stiegen mir in die Augen. Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nicht deine Schuld.«
    »Nehmt mich mit. Lasst Lila in Ruhe«, hörte ich Alex sagen.
    Ich holte tief Luft. Niemals würde ich zulassen, dass er sich für mich opferte. Obwohl ich natürlich keine Ahnung hatte, wie ich es verhindern könnte. Unsere Lage schien aussichtslos. Demos und seine Kumpane hatten einen Kreis um uns drei gebildet und am Waldrand sah ich noch mehr Leute stehen. An Flucht war nicht zu denken.
    »Ich weiß das Angebot zu schätzen«, sagte Demos, »aber dich will ich nicht. Ich will Lila. Keine Angst, ich habe nicht vor, ihr etwas anzutun. Das gilt allerdings nur, solange du keine Dummheiten machst. Ich rate dir also, keinen Unsinn anzustellen.«
    »Sie wollen Lila gegen Alicia austauschen?«, fragte Alex.
    »Sehr gut, Alex. Dich darf man nicht unterschätzen, das habe ich im Laufe der Jahre gelernt.«
    »Spar dir das Fluchen«, warf Suki ein.
    Alle Augen richteten sich erstaunt auf sie.
    Demos beugte sich ein wenig vor und sagte leise: »Er hat nicht geflucht, Suki.«
    Sie wirkte verwirrt. »Nein? Ach so. Äh. Tut mir leid.« Und zu Alex: »Manchmal kann ich nicht unterscheiden, was gesagt und was nur gedacht wird. Aber egal: Auch in Gedanken solltest du nicht fluchen.«
    Demos trat einen Schritt vor. »Alex und Jack, ihr fahrt jetzt zum Camp zurück. Ihr werdet schon wissen, wie ihr euch Zutritt verschaffen könnt. Ich habe größtes Vertrauen in euch. Erstaunlicherweise hilft eine Situation wie diese immer sehr, sich auf eine Sache zu konzentrieren.«
    Er schlenderte zu mir und legte mir den Arm um die Schultern, als wollte er seine Besitzansprüche deutlich machen. Unwillkürlich schreckte ich vor der Berührung zurück. Jack kochte vor Wut, die Nackenmuskeln traten sichtbar hervor. Alex hob den Arm, um Jack zurückzuhalten.
    Demos schien die Wirkung seiner Geste zu genießen. »Bringt mir Alicia und ihr bekommt Lila lebend wieder. Es ist mir völlig egal, wie ihr es anstellt. Es ist ein faires Angebot.«
    Jack und Alex schauten mich an, versuchten mir ohne Worte mitzuteilen, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte und alles wieder in Ordnung kommen werde. Ich lächelte schwach zurück. Die Blutspur auf Alex’ Wange war getrocknet, aber über dem Wangenknochen hatte sich eine rötliche Schwellung gebildet.
    Jack und Alex schienen sich stillschweigend zu verständigen, dann nickten sie fast gleichzeitig. Sie brauchten Sukis Fähigkeiten nicht, denn sie kannten einander besser, als Brüder sich kennen. Sie würden tun, was Demos von ihnen verlangte. Ich bekam Angst. In die Basis zurückzukehren und einen Gefangenen herauszuholen, war der reinste Selbstmord.
    Alex ging einen Schritt auf Demos zu. Bill hielt die Pistole auf ihn gerichtet, bewegte sich aber nicht von der Stelle. Offenbar unbekümmert ließ Demos zu, dass Alex näher kam, aber sein Blick war wachsam.
    »Wenn wir tun, was Sie verlangen – wenn wir Alicia herausholen –, werden Sie uns Lila unversehrt zurückgeben. Schwören Sie es?«
    Demos nickte. »Ich stehe immer zu meinem Wort, Alex. Das solltest du wissen.«
    Jack bewegte sich. Ryder verzog den Mund zu einem kalten Lächeln. »Ich schwöre bei Gott, wenn du auch nur versuchst …«
    »Ja, du kannst es dir sparen, Jack«, sagte Demos. »Überleg dir gut, was du tust. Du bist impulsiv wie deine Schwester. Und wie eure Mutter war.« Das fügte er fast zärtlich hinzu.
    Ich wich erschrocken zurück. Jacks Reaktion war genau umgekehrt. Blitzschnell warf er sich auf Demos und packte ihn an der Gurgel.
    Im selben Moment stürzten sich Alex und ich gleichzeitig auf die Waffe, die Jack bedrohte. Alex