Ein Highlander zu Weihnachten
hinterlassen hat? In einer der Kisten war eine zweite Kiste …«
Sie rasselte sämtliche Ereignisse dieses unglaublichen Tages herunter und brachte Mr Brindle auf den neuesten Stand. Dabei war ihr die ganze Zeit klar, dass sie sich vermutlich wie eine Irre anhörte, aber dagegen war nun nichts zu machen.
Sie war gerade bei dem Moment angekommen, in dem sie Cams Kaution mit ihrer Kreditkarte bezahlte, als Mr Brindle zu ihr sagte: »Miss MacGregor, ich unterbreche Sie nur ungern … Ihr Bericht ist recht ungewöhnlich. Aber was hat denn der Lärm im Hintergrund zu bedeuten?«
»Das? Ach, das ist nur Sir Cameron MacLeod, der unter meiner Dusche steht und You Take The High Road singt.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Doch, ist es. Das habe ich Ihnen doch die ganze letzte Viertelstunde zu erklären versucht.« Am anderen Ende der Leitung herrschte einige Sekunden lang Totenstille. »Mr Brindle?«
»Entschuldigen Sie. Ich kann in zwei Stunden bei Ihnen sein, wenn das nicht zu spät wird. Dann können Sie mir die ganze Geschichte zu Ende erzählen.«
»Vielen Dank. Bitte klingeln Sie einfach, sobald Sie da sind.«
Sie klappte ihr Handy zu, blickte auf und sah Cameron MacLeod in der Tür zu ihrem Schlafzimmer stehen. Er war barfuß, sein feuchtes Haar war aus dem frisch rasierten Gesicht zurückgestrichen und ringelte sich bis auf seine Schultern. Sein Oberkörper war nackt, seine schmalen Hüften und kräftigen Beine steckten – trotz bequemer Passform – in hautengen Jeans. Er sah absolut fantastisch aus.
Sie war kurz davor, einfach nur über diesen die Sinne verwirrenden Anblick zu seufzen. Doch dann stach ihr der Schraubenschlüssel ins Auge, der aus MacLeods hinterer Hosentasche ragte. Also ächzte sie nur, klappte ihr Handy wieder auf und speicherte Mr Brindles sämtliche Telefonnummern in ihrem Kurzwahlverzeichnis. Denn sie hatte das dumpfe Gefühl, dass sie sie noch brauchen würde.
»Bitte, greifen Sie doch noch zu.«
Cam klopfte sich auf den Bauch. »Ich kann nicht mehr, Mrs Grouse. Ich würde in tausend Stücke zerspringen, wenn ich nur noch einen Bissen zu mir nähme. Aber haben Sie vielen Dank.«
»Keine Ursache. Es war eine Wonne, mal wieder für einen Mann zu kochen und dann zuzusehen, wie er alles aufisst, als ob es seine letzte Mahlzeit auf Erden wäre.«
Sie erhob sich und begann abzudecken. Er sprang auf und wollte ihr zur Hand gehen. »Sind Sie schon lange verwitwet?«
»Seit einem Jahr.«
»Mein herzliches Beileid.«
»Danke schön. Henry war ein guter Mann, und er fehlt mir. Manchmal kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, dass wir zum letzten Mal miteinander gesprochen haben. Und manchmal fühlt es sich so an, als hätten wir uns erst gestern darüber gezankt, wo der Weihnachtsbaum stehen soll. Er wollte ihn immer dort am Fenster haben. Und ich wollte immer, dass wir ihn da rechts in die Ecke stellen, damit Henry nicht so oft dagegenstößt und alles voller Nadeln ist … voller Dreck.« Ihre blassblauen Augen schwammen in Tränen. »Was würde ich nicht darum geben, ihn hier jetzt Dreck machen zu sehen.«
Die arme kleine Frau.
Als seine Margie an der Influenza gestorben war, hatte auch er sie beweint, obwohl sie nicht gut zueinandergepasst hatten. Er konnte sich den Schmerz nicht vorstellen, den man dann erst beim Verlust eines geliebten Lebensgefährten verspüren mochte.
Er wollte Mrs Grouse von ihrem Kummer ablenken und fragte sie: »Könnten Sie mir freundlicherweise erklären, warum hier allenthalben solche glitzernden Bäume aufgestellt sind?« Sie waren wirklich überall zu sehen.
»Wir feiern Weihnachten damit. Gleich nach Thanksgiving – unserem nationalen Erntedankfest – kaufen wir die Bäume, schmücken sie und legen Geschenke darunter. Am Weihnachtsmorgen versammeln wir uns um den Baum und machen die Geschenke auf.«
Bei ihm zu Hause wurden nur zu Hogmanay Geschenke getauscht. Weihnachten war eine Zeit der Buße. Man ging von Haus zu Haus und hielt jedem sein schwerstes Vergehen vor. Ihn hatte man häufig »Sir Eitel« genannt. Daran erinnerte er sich nur ungern.
Er spähte unter Mrs Grouse’ Baum und entdeckte drei in buntes Papier eingewickelte Pakete. »Sind die für Ihre – Kinder?«
»Nein. Sie sind von meiner Tochter. Sie lebt in Kalifornien … an der Westküste. Ich hatte gehofft, dass sie dieses Jahr zu Weihnachten nach Hause kommt, aber sie konnte sich bei ihrer Arbeit nicht freinehmen. Sie arbeitet für einen Bühnenbildner, einen Mann, der
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