Ein Himmel voller Sterne
Großmutter.
Bettina, die erst vor einer knappen Woche aus den USA zurückgekehrt war, hatte es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Ein paar Delikatessen – fertig gekauft natürlich – dazu ein oder zwei Gläser Rotwein. Fernsehberieselung aus Langeweile. Allzu feierlich war ihr Weihnachten nicht.
Es ging schon auf halb elf am Heiligen Abend, als es kurz an ihrer Tür klingelte. Im ersten Impuls wollte sie gar nicht öffnen, doch dann sagte sie sich, dass es wohl doch noch Kim war. Ihre Halbschwester war mal wieder im Land und hatte es offen gelassen, ob sie mit Bettina oder mit ihrer Freundesclique zusammen feiern wollte.
Besser spät als gar nicht, dachte Bettina und ging zur Tür – um im nächsten Moment zurückzuprallen.
„Ich bin kein Gespenst.“ Karsten lächelte ein bisschen schief. „Darf ich reinkommen?“
Sie machte nur eine vage Handbewegung. Kein Wort hätte sie jetzt herausgebracht. Viel zu verwirrt war sie.
„Ich … ich … Frohe Weihnachten.“ Ganz dicht stand Karsten vor ihr. Seine Augen schienen zu brennen. Und dann …
Nichts mehr. Keine Einsamkeit. Keine unerfüllte Sehnsucht. Keine Wut. Keine Eifersucht. Nur noch ihn. Seine Hände, die sie umfassten. Seine Lippen auf ihren.
„Jetzt glaub ich wirklich an Weihnachtswunder“, flüsterte Bettina.
„Und ich erst! Ich hab ja solche Angst gehabt, dass du mir nicht aufmachst. Oder mich gleich wieder wegschickst …“
„Ich hab Kim erwartet.“
„Kim? Wer ist das?“
„Meine Schwester. Halbschwester, genauer gesagt. Wir sehen uns nur sporadisch, aber jetzt ist sie in der Stadt.“
„Und warum feiert ihr nicht zusammen?“
„Sie ist wohl bei Freunden.“ Bettina lächelte und zog ihn mit sich ins Wohnzimmer. „Ich sollte ihr dankbar sein, dass sie so wenig Familiensinn zeigt.“
„Stimmt.“ Karsten zog sie auf seinen Schoß. „Ich würde dich jetzt nur ungern teilen.“
Bettina erwiderte nichts, aber sie dachte, dass sie ihn immer wieder hatte teilen müssen. Mit der Firma, mit Elaine … und wer weiß mit wie vielen anderen.
„Was denkst du?“ Er gab ihr einen übermütigen Kuss auf die Nase.
„Ach, nichts.“
„Nichts? Dazu passt die Falte zwischen der Nasenwurzel nicht. Die muss weg.“ Und schon nahm er ihr Gesicht in die Hände, küsste jeden Millimeter, vor allem die Stelle, wo die imaginäre „Falte“ sein sollte.
Es war, als wären sie nie voneinander getrennt gewesen. Ihre Körper schienen sich genau zu erinnern. Jeder wusste genau, was der andere wollte, was er zur perfekten Erfüllung brauchte.
Karsten vergaß, dass daheim in seiner Villa Gäste auf ihn warteten. Er vergaß Elaine und auch, dass Weihnachten war. Was wichtig war, war Bettina. Sie hielt er in den Armen – und damit das wahre Glück.
Es wurde draußen schon hell, als sie wieder klar bei Besinnung waren. Bettina lag in Karstens Arm, ihr Kopf an seiner Brust. Sie waren müde, erschöpft, aber glücklich.
„So kann man also auch Weihnachten feiern“, murmelte Bettina.
„Ein bisschen ungewöhnlich, aber wunderschön. Und romantisch.“ Karsten drehte sich ein bisschen, damit er ihr in die Augen sehen konnte. „Weihnachten ist noch nicht vorbei …“
„Stimmt …“ Sie rollte sich zusammen wie eine Katze. „Aber jetzt muss ich ein bisschen schlafen. Bleibst du zum Frühstück?“
„Natürlich. Hast du vergessen – Weihnachten dauert noch an.“
„Noch zwei Tage.“
„Wenn du willst, eine ganze Ewigkeit.“
Bettina erwiderte nichts mehr. Sie war zu müde. Und viel zu glücklich, um jetzt noch irgendwelche Einwände zu machen.
Am nächsten Morgen erwachte sie von leisem Schnarchen. Lächelnd sah sie zu Karsten hin, der sich auf die Seite gerollt hatte und diese Töne von sich gab.
„Nicht gerade romantisch“, murmelte sie, beugte sich über ihn und wollte ihn gerade mit einem Kuss wecken, als ihr plötzlich etwas einfiel: Karsten und Elaine in einem Kindermoden-Geschäft! Lachend und sichtlich glücklich Elaine, die ihm ein Strampelhöschen zeigte … Wie hatte sie das vergessen können?
Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Sah auf den schlafenden Mann, auf die Flasche Champagner und die beiden Gläser neben dem Bett – und wurde noch ein bisschen wütender. Und verlegener. Wie hatte sie sich so überrumpeln lassen können! Da kam er, schmuste ihr was vor, und sie … sie blöde Gans ließ sich gleich wieder einwickeln!
Tränen verschleierten ihren Blick. Gleichzeitig wütete ein Schmerz in ihr, der sie zu
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