Ein Himmel voller Sterne
Nähe des Mannes, der Bettina so unglücklich gemacht hatte.
Es war nicht allzu schwer gewesen, alles aus Bettina herauszufragen. „Karsten Korten-Ryhoff – ich mach dich fertig!“, schwor sich Kim.
Und als Bettina wieder einmal schlief, das Fieber schwächte sie sehr, griff Kim sich die Wagenschlüssel der Schwester und fuhr zu den KORY-Werken.
„Der Chef ist nicht im Haus“, erklärte der Pförtner. „Wir sind nur die Notbesetzung über die Feiertage hinweg.“
„Und wo finde ich Herrn Korten-Ryhoff? Es ist sehr wichtig.“
„Das sagen sie alle.“ Der Portier, seit etlichen Jahren im Dienst, war so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen. Und die großen, bittenden Augen der jungen Frau vor ihm beeindruckten ihn auch nicht mehr.
Kim beugte sich vor. „Ich bin nicht „alle“! Und schon gar nicht gehöre ich zu dem Heer von Verehrerinnen des feinen Herrn. Also – wo treibt er sich rum?“
„Keine Ahnung. Tut mir leid.“
„Und mir erst!“ Kims Augen blitzten. Aber dann hatte sie eine Idee: Gleich gegenüber des Firmengeländes gab es ein Bistro – vielleicht erfuhr sie hier mehr. Und sie hatte Glück: Einer der jungen Kellner wusste:
„Der Chef von drüben ist Reiter. Ich hab ihn schon mal in dem Stall gesehen, in dem meine Schwester als Pferdepflegerin jobbt.“
„Heute haben Sie ihn aber nicht gesehen?“
„Nein … aber ich hab meine Schicht auch erst vor einer halben Stunde angetreten. Moment mal …“ Er war beeindruckt von Kim und höchst bestrebt, ihr zu helfen. Nach einem kleinen Wortwechsel mit einem Kollegen meinte er: „Vor zwei Stunden hat mein Kollege ihn gesehen. In Reithosen.“
„Na also!“ Kim strahlte ihn an. „Danke! Sie sind klasse!“
Der junge Kellner zuckte mit den Schultern. Für das Kompliment konnte er sich nichts kaufen. Ihm wäre lieber gewesen, Kim wäre noch eine Weile im Lokal sitzen geblieben.
„Glück ist mit die Doofen“, murmelte Kim vor sich hin und grinste, als sie zu ihrem Wagen ging. Da hatte sie ja schneller herausgefunden, was sie wissen wollte, als gedacht. Zumindest war es einen Versuch wert.
Bis zu dem Reitstall war es gar nicht weit.
Nur wenige Wagen parkten auf dem Kopfsteinpflaster-Hof. Sicher war die Limousine in dezentem dunkelblau die des Firmenchefs! „Seriös nach außen, innen ein Mistkerl. Das passt!“
Oh ja, Kim war geladen. Und sie steigerte sich noch ein wenig in ihren Zorn hinein, bis sie Karsten ausfindig gemacht hatte. Was leider nicht einfach war, denn ein älterer Stallknecht erklärte ihr, dass Herr Korten-Ryhoff ausgeritten sei.
„Ein bisschen leichtsinnig mit dem Wotan“, fügte er hinzu.
„Mit wem?“
„Wotan. Das ist der Hengst vom Karsten. Er hat ihn schon als Junge bekommen.“
„Na, dann ist der Hengst ja uralt.“
Der Stallknecht schüttelte den Kopf. „Das schon, aber immer noch voller Temperament. Und in der letzten Zeit ist er furchtbar schreckhaft geworden. Weiß der Geier, was er hat.“
Das fragte sich auch Karsten. Eine gute Viertelstunde ritt er durch einen Wald, auf der Galoppstrecke kannten sich Pferd und Reiter aus, wie von selbst fiel Wotan in die schnelle Gangart. Aber dann, kaum dass sie den Birkenwald verlassen hatten und auf ein Feld kamen, auf dem die Wintergerste spross, begann der Hengst zu tänzeln.
Karsten wollte ihn zügeln, wollte vom Feld weg auf den schmalen Weg, der am Seitenrand entlang in Richtung Elbe führte. Das war zwar kein ausgewiesener Reitweg, aber gerade das war ihm recht. Nur ja jetzt keinem Bekannten begegnen und eventuell Smalltalk machen müssen!
Auf einmal knackte es im Unterholz – vier Rehe sprangen aufgescheucht aus dem Wald hinüber zum Feld, wo sie irritiert stehen blieben und sich nach einem Schutz umschauten.
Das alles registrierte Karsten noch. Er versuchte, Wotan durchzuparieren, er sprach beruhigend auf den Hengst ein, der aber preschte erst im gestreckten Galopp einige hundert Meter weiter, dann stieg er – und Karsten konnte sich nicht mehr im Sattel halten.
Instinktiv zog er die Füße aus den Steigbügeln, versuchte abzurollen – doch den Stein, der aus einer hohen Erdkrume ragte, sah er nicht. Als er fiel, stürzte er unglücklich auf diesen Gesteinsbrocken. In der nächsten Sekunde wurde es dunkel um ihn.
Wotan war wie wahnsinnig. Nie würde man herausfinden, warum der Hengst so durchgedreht war – jedenfalls kehrte er erst eine gute halbe Stunde später auf den Reiterhof zurück – völlig verschwitzt, mit zitternden Flanken
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