Ein Himmel voller Sterne
„Machen Sie sich keine Sorgen, soweit ich es beurteilen kann, kommt er mit einem Brummschädel davon.“
So eine Erleichterung! Kim fühlte sich, als würde ihr ein Felsbrocken vom Herzen fallen. Aber da fuhr der Arzt fort:
„Genaues wird man in der Klinik sagen können. Ich denke, die Kollegen dort werden eine CT anfertigen, um genau sagen zu können, was los ist.“ Er sah wieder auf seinen Patienten. Die tiefe Bewusstlosigkeit gefiel ihm zwar nicht, war aber auch nichts Ungewöhnliches bei einem so schweren Sturz und der daraus resultierenden Gehirnerschütterung. Nach Ansicht des Notarztes hatte der Reiter Glück im Unglück gehabt.
+ + +
„Wo ist er? Ich will sofort zu Karsten!“ Elaine tobte durch die Villa, warf ein paar Bodenvasen um und versuchte die schweren Vorhänge im Salon zur Erde zu ziehen.
Das war zuviel! Die Haushälterin, nicht gerade zimperlich, rief zunächst mal die Polizei. Den beiden erfahrenen Streifenpolizisten genügte ein Blick auf die junge Frau.
„Total zugedröhnt“, kommentierte der Jüngere.
„Ab mit ihr zum Entzug.“
Nein, lange fackelte man nicht mit solchen Typen. Und diese abgedrehten, gelangweilten reichen Dämchen schmeckten den Beamten sowieso. Als hätten sie nicht schon genug zu tun!
So landete Elaine also wieder einmal in einer Klinik, und so sehr sie auch nach Karsten schrie oder weinte – er kam nicht, um ihr zu helfen.
Karsten lag inzwischen schon zwei Tage ohne Bewusstsein in der Uniklinik – ein Zustand, der den behandelnden Ärzten inzwischen Sorge bereitete. Man hatte ihn mit allen modernen Untersuchungsmethoden durchgecheckt – und ein Blutgerinnsel im Gehirn festgestellt. Noch aber zögerten die Ärzte, den Patienten zu operieren. Ein solcher Eingriff war nicht ungefährlich, und manchmal lösten sich solche Gerinnsel auch von selbst wieder auf.
Doch bei Karsten war das nicht der Fall, und so beschlossen die Mediziner am Abend des zweiten Tages eine Notoperation, da sich der Zustand des Patienten verschlechtert hatte.
Da Karsten Korten-Ryhoff keine nahen Verwandten mehr besaß, wurde seine engste Mitarbeiterin informiert. Annette Berger war von Kim informiert worden und sofort, zusammen mit Andreas Fabian, in die Klinik gefahren.
Andreas, in der Uni-Klinik bestens bekannt, erfuhr natürlich alle Details und gab sie – wenn auch gefiltert – weiter. Das Arztgeheimnis wollte auch er wahren, doch er war sicher, dass es in Karstens Sinn war, dass Annette auf dem Laufenden gehalten wurde. Schließlich musste sie sich nun wieder hundertprozentig um die Firma kümmern.
Kim brachte Bettina schonend bei, was geschehen war.
Die Fotografin hatte kein Fieber mehr, fühlte sich aber noch elend und schlapp. Sie lag im Bett und wirkte teilnahmslos, als Kim zum dritten Mal innerhalb der zwei Tage aus der Klinik kam.
Sie setzte sich ans Bett, nahm Bettinas Hände und hielt sie fest. „Ich muss dir was sagen …“
„Hmm.“
„Tina, hör mir zu!“
„Tu ich ja.“
„Karsten ist verunglückt.“ Kim beschloss, es gar nicht erst vorsichtig zu umschreiben. Wahrscheinlich war es besser, der Schwester einen Schock zu versetzen, das würde sie aus ihrer Lethargie aufrütteln.
„Aha.“ Nur dieses kleine Wörtchen. Es war zum Aus-der-Haut-fahren! Kim rüttelte die Schwester leicht.
„Sag mal, hast du’s mit den Ohren? Ich hab gesagt, dass Karsten verunglückt ist. Er liegt in der Uni-Klinik und wird wohl in diesem Moment operiert.“
„Was?“ Ruckartig setzte sich Bettina auf.
„Er hatte einen Reitunfall und …“
„Wann?“
„Vorgestern. Ich hab mit ihm reden wollen und bin …“
Aber Bettina ließ sie nicht ausreden. „Was fehlt ihm? Warum wird er operiert?“ Ihre Augen spiegelten ihre Angst wider.
„Er hat … eine Gehirnerschütterung.“ Nein, mehr wollte sie nicht sagen. Bettina sah so entsetzlich blass aus, dass Kim Angst hatte, ihr den wahren Zustand des Mannes zu gestehen. Womöglich erlitt Bettina noch einen Zusammenbruch – elend genug ging es ihr schließlich.
„Gehirnerschütterung. Aha.“ Langsam ließ sie sich in die Kissen zurückfallen.
„Es ist eine schwere Gehirnerschütterung, sagen die Ärzte. Ich hab diese Frau Berger angerufen. Du hast doch gesagt, dass sie immer alles managt. Und weil er doch keine Familie hat und du nicht gut dran warst …“ Kim biss sich auf die Lippen. Verflixt, wieso reagierte Bettina so merkwürdig? Kim hatte gedacht, die Schwester würde jetzt aufstehen, sich frisch machen und
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