Ein Himmel voller Sterne
sie, Kim, bitten, sie zur Klinik zu fahren.
Stattdessen lag sie wie erstarrt da, nachdem sie diese Infos hatte, und machte nicht die geringsten Anstalten, sich zu Karsten zu bewegen.
„Du hast mir zugehört, ja?“ Kim beugte sich über die Schwester.
„Ja.“
„Und – was willst du jetzt tun?“
„Nichts. Bin ich sein Arzt?“
Ja, Himmel noch mal, spinnst du jetzt total? Du bist die Frau, die Karsten liebt. Glaub ich zumindest. Und dass du ihn liebst, ist sowieso klar. Also mach dich fertig und fahr in die Uni-Klinik. Er wird da wohl gerade operiert.“
„Warum?“ Immer noch dieses starre Benehmen! Es war zum wahnsinnig werden!
„Weil er …“ Kim biss sich auf die Lippen. Aber es musste wohl sein, Bettina musste die ganze Wahrheit erfahren! „Er hat ein Blutgerinnsel im Kopf. Das drückt auf die Hirnhaut. So hab ich es wenigstens verstanden. Sie müssen dieses Gerinnsel wegoperieren.“
„Aha.“ Keine andere Reaktion.
Kim stand auf. „Ich fass es nicht“, murmelte sie. „Da hast du dir vor einigen Tagen noch die Augen aus dem Kopf geheult wegen Karsten – und jetzt tust du so, als interessierte dich das gar nicht.“
„Tut’s ja auch nicht.“
„Das kannst du deiner Großmutter erzählen!“ Kim war wütend. „Stell dich nicht so dämlich an und steh endlich auf. Ich geh mir jetzt einen Döner essen. Hab seit Stunden nichts in den Magen gekriegt. Außerdem muss ich mich mal wieder mit meinen Freunden zusammentelefonieren. Die denken glatt, ich sei vom Weihnachtsmann mitgenommen worden. Wenn ich wiederkomme, bist du fertig und wir fahren in die Klinik. Klar?“
Keine Reaktion.
Als Kim die Wohnung verließ, fiel die Tür mit einem heftigen Knall hinter ihr ins Schloss.
Bettina biss sich auf die Lippen, bis sie Blut schmeckt. Nein, sie würde nicht aufstehen! Sie würde nicht in die Klinik fahren. Sie würde sich nicht kümmern. Sie würde …
Aufstehen, duschen, in Hose und einen leichten Pulli schlüpfen und ein Taxi rufen – das alles passierte innerhalb kürzester Zeit.
Bettina dachte gar nicht mehr nach, sie handelte ganz mechanisch. In ihrem Kopf war nur noch ein Gedanke: Karsten ist schwer krank. Er wird operiert. Sie schneiden seinen Kopf auf …
Himmel, warum hatte sie Kim nicht sofort gebeten, sie in die Uni-Klinik zu bringen? Jetzt musste sie noch elend lange auf ein Taxi warten!
Es war dunkel, und gerade als der Wagen auf das Gelände der Uni-Klinik einbog, begann es zu regnen. „Mistwetter“, schimpfte der Taxifahrer. „Da kriegen sie hier wieder jede Menge Arbeit.“
Bettina nickte nur, zahlte und lief die wenigen Meter bis zum Eingang durch den Regen, der von einzelnen wässrigen Schneeflocken durchsetzt war. Sekundenlang dachte sie daran, wie schön es gewesen war, mit Karsten am Strand von Faro zu liegen. Sie erinnerte sich an ihre erste Begegnung in New York – wobei sie zugeben musste, dass sie ihn da gar nicht richtig wahrgenommen hatte. In Paris aber war er ihr aufgefallen! Sie hatte ihn ekelhaft gefunden … zumindest hatte sie sich eingeredet, er sei ein Ekel. Ihr Herz aber hatte es schon besser gewusst!
An der Rezeption erklärte man ihr: „Herr Korten-Ryhoff liegt zurzeit auf der Intensivstation. Gehen Sie dort den Gang hinunter, dann mit dem Lift zur dritten Etage … dann müssen Sie läuten, der Intensiv-Bereich ist nicht für jedermann zugänglich.“
„Danke.“
Bettina hastete über den Flur, der zu dieser späten Stunde fast leer war. Die meisten Patienten waren über die Feiertage entlassen worden, nur die schweren Fälle mussten bleiben. Besucher waren schon vor Stunden gegangen.
Nie zuvor war sie auf einer Intensivstation gewesen, doch aus unzähligen Fernsehserien und Dokumentationen wusste sie, dass hier sterile Kleidung Vorschrift war und die Patienten an unzählige Apparate angeschlossen waren, die ihre Lebensfunktionen registrierten.
Die Pflegerin, die ihr öffnete, war Mitte Vierzig. Graues, kurz geschnittenes Haar, kluge dunkle Augen, ein schmales Gesicht mit einer etwas zu großen Nase … all das bemerkte Bettina auf den ersten Blick. Aber auch der mitleidige Ausdruck in ihren Augen fiel ihr auf, als sie sagte: „Ich würde gern Herrn Korten-Ryhoff besuchen.“
„Tut mir leid, aber das ist im Moment nicht möglich.“
„Aber … ich muss zu ihm!“ Bettina sah die Intensiv-Pflegerin bittend an.
„Er … er wird gerade operiert.“
Bettina biss sich auf die Lippen. „Ich weiß. Aber … kann ich nicht warten, bis er
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