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Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman

Titel: Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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drang kein Mondlicht dorthin, wo sie stand. Trotzdem stand der Mann langsam auf, den Blick unverwandt auf den Mulgastrauch gerichtet. Er nahm seinen Speer und rief laut und drohend einige Worte, wobei er genau auf ihr Versteck zeigte. Estella wusste, dass sie zwei Möglichkeiten hatte: Sie konnte flüchten oder sich den Männern stellen. Obwohl sie vor Angst zitterte, beschloss sie, aus ihrem Versteck hervorzutreten.
    Verzweifelt hielt Estella nach Mai Ausschau. Ihr Herz klopfte wie rasend, als sie sah, dass Mai sich nicht unter den Frauen befand. Dann aber kam zu ihrer unendlichen Erleichterung Binnie auf sie zugelaufen. Das Mädchen sagte etwas in seiner Sprache, und die Männer schienen sich zu beruhigen. Sie musterten Estella zwar noch immer mit einigem Misstrauen, ließen sich jedoch wieder am Feuer nieder.
    Binnie zog die zitternde Estella mit sich zur Gruppe der Frauen. Sie setzte sich auf einen Baumstamm am äußersten Rand ihres Kreises. Die Frauen musterten sie stumm.
    »Hallo!«, sagte Estella und lächelte, doch die Aborigines schienen unbeeindruckt. Sie erinnerten sie sehr an Mai – offensichtlich hatten sie keinen Sinn für Höflichkeitsfloskeln. Schließlich begannen sie sich wieder miteinander zu unterhalten, als wäre Estella gar nicht da. Sie wusste nicht, ob das bedeutete, dass die Eingeborenen sie akzeptiert hatten, oder ob sie die weiße Frau ignorierten.
    Sie fragte Binnie, wo Mai sei, doch das Mädchen schien es nicht zu wissen, was Estella seltsam und beunruhigend fand. Sie fragte sich, ob Mai wieder getrunken hatte, und dachte voller Furcht daran, was alles geschehen konnte, jetzt, wo so viele Menschen in der Stadt waren. Estella machte sich vor allem Sorgen wegen der Farmarbeiter, von denen die meisten sturzbetrunken waren.
    Die Frauen trugen Wickeltücher wie Mai, doch eine von ihnen hatte ihre welken Brüste entblößt, und ein Kind kletterteauf ihren Schoß und begann zu saugen. Estella war ein wenig schockiert, denn das Kind war mindestens drei Jahre alt, doch die Mutter schien völlig unbefangen. Estella fiel auf, dass die Frauen alle klein und untersetzt waren und recht ansehnliche Bäuche hatten, im Verhältnis dazu jedoch sehr dünne Beine. Ihre Fußsohlen wirkten rau und härter als die meisten Schuhsohlen. Die Haare waren ungekämmt und verfilzt, die Nasen breit, doch ihre großen dunklen Augen faszinierten Estella. Sogar diejenigen, die offensichtlich an Augenkrankheiten wie Hornhautgeschwüren litten, schienen bis auf den Grund von Estellas Seele zu schauen, was fast ein wenig furchteinflößend war.
    Estella fiel auf, dass drei Männer Hemden und Hosen, jedoch keine Schuhe trugen. Alle anderen hatten sich nur ein Lendentuch um die Hüften geschlungen. Sie vermutete, dass die drei Männer in Hemd und Hose sowohl in der Kultur der Aborigines als auch in der Kultur der Weißen zu Hause waren. Alle saßen mit untergeschlagenen Beinen in einem markierten Kreis und schienen über eine gewichtige Angelegenheit zu reden, in der die Frauen kein Mitspracherecht besaßen.
    Estella beobachtete die mageren Hunde auf ihrer Suche nach Futter. Dabei fiel ihr einer auf, der allein am Rand der vom Feuer erleuchteten Fläche lag. Sogar im schwachen Lichtschein sah sie die große Wunde an seinem Hinterbein. Sie stand auf, um das Tier zu untersuchen. Es war eine junge Hündin, wahrscheinlich eine Kreuzung zwischen Haushund und Dingo, denn ihr Fell war sehr hell, fast orangefarben, doch ihr Körper und der ruhige, kluge Blick erinnerten Estella an den Dingo. Die Hündin leckte ihre Wunde, die sich bei näherem Hinsehen als großflächig entzündet erwies.
    Estella erkundigte sich bei Binnie, ob jemand sich um das Tier kümmerte, doch die Kleine schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern, als wäre die Gesundheit der Hündin völlig unwichtig. Estella konnte diese Denkweise nichtbegreifen: Die Wunde musste sofort behandelt werden, sonst wurde sie brandig. Sie vermutete, dass sich bereits Fliegenlarven darin eingenistet hatten. Sobald einer der anderen Hunde in die Nähe der verletzten Hündin kam, begann diese ängstlich zu knurren. Im Rudel wurden kranke oder schwache Tiere oft angegriffen. Wenn die anderen Hunde im Lager nicht allzu zahm waren, würden sie die junge Hündin wahrscheinlich töten.
    Estella fragte Binnie, ob sie das Tier mit zu sich nach Hause nehmen könne, um es zu behandeln. Beinahe hätte sie versprochen, die Hündin zurückzubringen, doch sie wusste nicht mit Sicherheit,

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