Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
ob das Tier überlebte und ob sie es wirklich zurückgeben wollte. Immerhin schien sich kein Mensch im Lager um die Tiere zu kümmern.
Binnie sprach mit einer der Frauen, die aufstand und die Ältesten des Clans fragte. Estella wartete unruhig auf die Antwort. Sie hoffte, dass sie die Mitglieder des Clans mit ihrer Bitte nicht beleidigte. Schließlich stand einer der Ältesten auf. Er blickte Estella an und bedeutete ihr durch eine großzügige Geste seine Zustimmung, sichtlich verwundert, dass sie sich so viel Mühe mit einem Hund machen wollte.
Estella fiel auf, dass die drei Männer in Hemden und Moleskin-Hosen nichts sagten und auch nicht versuchten einzugreifen, und schloss daraus, dass für die Aborigines Hunde nicht wichtig waren – doch sie selbst sah das anders. Sie bat Binnie um ein Seil, doch das Einzige, das die Kleine finden konnte, waren die Reste einer Peitsche, die Estella als Leine benutzte. Dann führte sie die Hündin aus dem Lager. Binnie bat die Ältesten, Estella begleiten zu dürfen. Nachdem diese versichert hatte, sie werde sich um Binnie kümmern, willigten die Ältesten ein.
Die Hündin war schon völlig erschöpft, als sie die Sanddünen erreichten, also nahm Estella sie auf den Arm und trug sie den Rest des Weges. Das Tier war offensichtlich nicht anFreundlichkeit gewöhnt und leckte ihr Gesicht und Hände. Als sie Estellas Haus erreichten, legte sie die Hündin in einen der Zwinger und holte eine Öllampe, um besser sehen zu können. Sie gab dem Tier kleine Stücke Dosenschinken, um sein Vertrauen zu gewinnen, während sie mit einer chirurgischen Pinzette Maden und Insektenlarven aus der offenen Wunde entfernte, die sie anschließend mit einer antiseptischen Lösung reinigte.
Estella schrak zusammen, als plötzlich Marty und Mai vor ihr standen. Sie hatte angenommen, dass Marty friedlich in Stargazers Stall schlief. Mai schien am Rande eines Nervenzusammenbruchs zu stehen.
»Was ist passiert?«, fragte Estella alarmiert.
»Mai hatte Angst, Binnie sei etwas zugestoßen«, erklärte Marty atemlos. »Wo haben Sie das Mädchen gefunden?«
Estella beobachtete, wie Mai ihre Tochter in die Arme schloss, vor Erleichterung schluchzend. Mai schwankte bedenklich; offensichtlich war sie betrunken.
»Binnie war im Lager der Aborigines«, sagte Estella. »Wusste Mai denn nichts davon?«
Marty schüttelte den Kopf. »Anscheinend glaubte sie, einer der Farmarbeiter habe die Kleine mitgenommen.«
»Wie ist sie darauf gekommen?«
»Soweit ich es aus ihr herausbekommen konnte, hat es ihr offenbar einer der Arbeiter aus Wilga erzählt.«
»Dann hat er sich einen bösen Scherz mit ihr erlaubt!«, sagte Estella aufgebracht.
Marty zuckte die Schultern und ging zu Stargazers Stall, um nach dem Hengst zu sehen. »Sie haben niemanden hier herumschleichen sehen, als Sie kamen, nicht wahr?«, rief er über die Schulter.
Estella hörte die Besorgnis in seiner Stimme. »Keine Menschenseele!«
Sie blieb fast die ganze Nacht an der Seite der Hündin. Nachder Behandlung der Wunde spritzte sie ihr ein Antibiotikum, gab ihr noch etwas von dem Schinken und trug immer wieder antiseptische Lösung auf. Kurz vor Tagesanbruch und dem unvermeidlichen Einfall tausender von Fliegen deckte sie die Wunde ab, damit diese sich nicht weiter infizierte; dann ging sie endlich schlafen. Estella war nicht sicher, ob sie das verletzte Bein nicht doch würde amputieren müssen, doch sie war entschlossen, alles zu tun, das Tier zu retten.
Sie war gerade eingeschlafen, als sie von einem völlig aufgelösten Marty geweckt wurde. »Wach auf, Estella!«, rief er und schüttelte sie wie von Sinnen. Weder ihr noch Marty fiel auf, dass er in der Aufregung zum vertrauten Du übergegangen war.
»Was ist denn los?« Zuerst dachte Estella, der Hündin sei etwas geschehen.
»Es ist Stargazer. Komm schon, steh auf!« Er zog sie aufgeregt mit sich. Als sie am Zimmer ihres Vaters vorüberkamen, sah sie Mai und Binnie friedlich in Ross’ Bett schlafen. Mai hatte den Arm beschützend um ihre Tochter gelegt; offensichtlich war ihr nicht danach gewesen, die Nacht im Freien zu verbringen.
Als Estella den Stall betrat, sah sie, warum Marty so aufgebracht war. Stargazer lag auf dem Boden. »Was ist mit ihm, Marty?«, fragte sie erschrocken.
»Genau das wüsste ich auch gern!«
Das Tier hob den Kopf und schnaubte. Es hatte offensichtlich Schmerzen. Vorsichtig schlüpfte Estella durch das Tor, nahm den Hengst am Halfter und versuchte, ihn zum
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