Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
wahrnehmen konnte. Entsetzt sah sie riesige Ameisen über irgendetwas Klebriges unmittelbar vor ihrem Gesicht laufen und stellte fest, dass es sich um Blut handelte. Auf ihrem Handrücken klaffte eine Schnittwunde, ihr anderer Arm war voller tiefer Kratzer.
»O nein!«, stieß sie hervor, und ihr schauderte bei dem Gedanken, dass ihr Körper binnen kurzer Zeit von Ameisen übersät gewesen wäre, wenn sie nicht aus ihrer Ohnmacht erwacht wäre.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils begriff sie, wo sie sich befand und was geschehen war. »Murphy!«, rief sie und wandte den Kopf – doch ein heftiger Schmerz in ihrem Nacken ließ sie zusammenfahren. Erschrocken stellte sie fest, dass eingroßes Metallteil sie vom Piloten trennte. Ungläubig starrte sie auf den Motorblock, der die Wand durchschlagen und das Instrumentenbord zertrümmert hatte.
Murphy saß noch immer angeschnallt in seinem Sitz. Sein Kopf hing vornüber, und Estella schloss daraus, dass er entweder bewusstlos war – oder Schlimmeres. Eine Spur aus getrocknetem Blut verlief quer über eines seiner Augen und die Wange hinunter, und sein Gesicht war von Fliegen bedeckt. Das Blut stammte von einer hässlichen Platzwunde an seinem Haaransatz. Es war fast eingetrocknet, worauf Estella schloss, dass sie lange Zeit bewusstlos gewesen sein musste. Andererseits sog die glühende Wüstensonne jede Flüssigkeit sehr schnell auf.
War es eine Stunde gewesen oder mehrere? Sie trug eine Uhr, doch ein Blick sagte ihr, dass diese bei der Notlandung zerbrochen war. Angstvoll betastete sie ihren Leib. Sie hatte keine Schmerzen, machte sich jedoch schreckliche Sorgen um ihr Baby.
»Ruhig bleiben!«, befahl sie sich und holte tief Luft. Dann wandte sie sich zur Seite und streckte den Arm aus, um Murphy zu berühren. »Wach auf, Michael!«, wollte sie rufen, doch ihre Stimme war kaum mehr als ein raues Flüstern, und ihr Brustkorb schmerzte. Ihre Hand zitterte, und sie atmete noch einige Male tief ein und aus. »Es geht mir gut«, sagte sie zu sich selbst. »Es ist ein Wunder, dass ich am Leben bin, aber es wird alles wieder gut.«
Mit zitternden Händen versuchte sie, den Verschluss ihres Gurtes zu öffnen. Ihre schmerzenden Beine steckten in einem schmalen Zwischenraum zwischen Motor und Bordwand. Sie hatte Glück gehabt, dass sie nicht eingeklemmt worden waren. Plötzlich musste sie an Murphys lange Beine denken, und es durchlief sie eiskalt.
»Bitte, lass ihn unverletzt sein, lieber Gott!«, betete sie, während sie mit den Händen die Fliegen verscheuchte.
Sie kletterte aus dem Sitz in den hinteren Teil der Maschine, wo es aussah wie nach einer Explosion. Überall lagen Kisten, von denen sie nicht wusste, was sich darin befand, dazwischen Glasscherben, Steine und abgerissene Äste karger Sträucher. Estella beugte sich über die Rückenlehne von Murphys Sitz und rief wieder seinen Namen, doch er rührte sich nicht. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, während sie an seiner Halsschlagader nach dem Puls fühlte. Dann atmete sie vor Erleichterung tief durch: Murphy lebte! Ein Blick auf seine Beine jedoch ließ sie zusammenzucken. Eines war voller blutender Schnitte, auf denen Fliegen herumkrochen, das andere schien teilweise unter dem Motor eingeklemmt zu sein. »O Gott!«, rief sie entsetzt. »Wir brauchen Hilfe!«
Sie kroch zur Tür und versuchte sie zu öffnen. Zuerst bewegte sie sich keinen Millimeter, und Estella geriet in Panik. Zitternd stieß sie immer wieder dagegen, bis die Tür schließlich nachgab und aufschwang. Estella blickte hinaus auf die karge Landschaft, über der die unbarmherzig glühende Sonne stand. Entsetzt starrte sie auf die breite Schneise der Verwüstung, die die Maschine bei der Notlandung hinterlassen hatte. Niedergemähte Sträucher lagen am Boden, Felsbrocken waren zur Seite geschleudert worden. Sie sah das zerstörte Fahrgestell der Maschine, Metallteile, Glasscherben und Fensterrahmen. Das Flugzeug steckte schräg im Sand, von einem Flügel und dem Propeller gehalten, der sich tief in den Boden gebohrt hatte. Um sie herum war nichts. Die Landschaft wirkte vollkommen eben, so weit das Auge reichte. Sie befanden sich buchstäblich mitten im Nirgendwo. Estella kämpfte eine neuerliche Woge der Panik nieder.
Als sie ein Stöhnen hörte, wandte sie sich um und kroch zu Murphy zurück. Sie beugte sich über ihn und wiegte seinen Kopf in den Armen.
»Estella ...«, brachte er mühsam hervor.
»Ich bin hier«, sagte sie leise.
Er
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