Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
aufgehört, Fragen nach Murphys Vergangenheit zu stellen; er kannte das alles aus eigener Erfahrung.
Doch er verstand nicht, warum Estellas Mann sie nicht unterstützte. »Du hast wirklich Mut, Estella«, meinte er bewundernd.
»Ich fand es eher verrückt oder leichtsinnig von mir, besonders, als ich die Stadt zum ersten Mal sah.«
»Dann wären wir alle verrückt und leichtsinnig«, meinte Murphy und berührte mit dem Finger leicht ihre Nasenspitze. »Im Ernst, ich habe gesehen, wie schwer es für dich war, Ross Cooper zu ersetzen; aber du hast es geschafft, und dafür bewundere ich dich.« Wie sehr, konnte er gar nicht sagen. »Ich glaube, dass es inzwischen viele Leute gibt, die Achtung vor dir haben.«
Seine Worte rührten Estella. Sie vergaß darüber völlig, ihm zu erzählen, dass sie Ross Coopers Tochter war. »In Wirklichkeit habe ich schreckliche Angst«, gestand sie. Die ungewöhnlichen Umstände und ihre Nähe zueinander ließen Estella so offen sprechen, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Undsie hatte das Gefühl, sich damit eine schwere Last von der Seele zu reden.
Murphy legte seine große Hand beschützend über die ihre, die auf ihrem Leib lag. Estella fand diese Geste überwältigend.
»Du wirst es schon schaffen«, sagte er leise. »Wenn die Leute es erst mal wissen, werden sie für dich tun, was sie können. Sie sind ein eigenwilliger Haufen – genauso, wie ich ein eigenwilliger Kerl bin«, fügte er mit leichtem Grinsen hinzu. »Aber wenn die Karten auf dem Tisch liegen, hilft jeder jedem.«
Estella fand, dass er von den Menschen hier sprach wie von einer großen Familie, doch an dem Abend ihrer Ankunft hatte Estella einen ganz anderen Eindruck gewonnen.
»Mein erster Abend in Kangaroo Crossing war eine Katastrophe«, sagte sie und lächelte bei der Erinnerung. »Stell dir vor, ich hätte damals schon erzählt, dass ich schwanger bin.«
Murphy verzog das Gesicht, als er an die Diskussion zwischen Estella und den Männern in der Bar dachte. »Ich glaube, das wäre wirklich nicht ganz der richtige Augenblick gewesen.«
Estella musste lachen. Doch sie wurde schnell wieder ernst bei dem Gedanken an James und Davinia. Wieder wandte sie sich halb ab, doch Murphy spürte auch so, dass es noch etwas anderes gab, was sie quälte. Er strich ihr sanft über die dunklen Haare. »Ich habe schon gemerkt, dass du launisch sein kannst, und manchmal ist es nicht leicht, mit dir auszukommen«, meinte er lächelnd.
»Oh, vielen Dank«, erwiderte Estella und bedachte ihn mit einem gespielt finsteren Blick.
Murphy wurde plötzlich wieder ernst. »Trotzdem kann ich nicht verstehen, warum dein Mann dich verlassen wollte.« Er selbst fand Estella sehr anziehend, und obwohl er immer dagegen angekämpft hatte, fühlte er sich seit ihrer ersten Begegnung zu ihr hingezogen. Es hatte ihn schon damals beunruhigt, und daran hatte sich nichts geändert. Er fragte sich, ob esreiner Beschützerinstinkt war, doch Estella rief auch lange vergessene Gefühle in ihm wach.
Es verletzte zwar Estellas Stolz, es Murphy zu erzählen, doch unter diesen Umständen erschien es ihr vollkommen unwichtig. »Er hat mich wegen einer anderen Frau verlassen«, sagte sie leise. »Für meine reiche, verwitwete Cousine Davinia. James ist Anwalt, doch er pflegt den Lebensstil eines Aristokraten. An dem Tag, als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, habe ich gesehen, wie James und Davinia sich küssten, und James musste zugeben, dass sie eine Affäre miteinander hatten. Außerdem sagte er mir, wir hätten hohe Schulden. Ich wusste bis dahin weder von der Affäre noch von den Schulden und kam mir vor wie eine Närrin.« Tapfer kämpfte sie gegen die Tränen an, überzeugt, dass James es nicht wert war, ihm nachzuweinen. »Anscheinend war Davinia bereit und in der Lage, James das Leben zu bieten, das er mit mir nicht haben konnte.«
Murphy war schockiert über James’ Oberflächlichkeit. »Du bist keine Närrin, Estella«, stieß er heftig hervor. »Dieser James ist ein Dummkopf! Manche Männer würden ihren rechten Arm opfern für das, was er hatte.« Er dachte dabei an Tom Rayburn, der sogar sein Leben dafür gegeben hätte. Er war der glücklichste Mensch unter der Sonne gewesen – bis zu jenem schicksalhaften Tag ...
Estella fragte sich, ob Murphy von sich selbst gesprochen hatte.
Murphy wurde bei Tagesanbruch vom Gesumm der Fliegen geweckt. Estella und er waren eingeschlafen, wo sie lagen, jeder mit seinen eigenen
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