Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
sich, ihr Desinteresse nicht zu offen zu zeigen.
»Mit Anthea!« Molly beobachtete, wie Flos Miene lebhafter wurde.
»Wenn du mir etwas über diese Davinia erzählen willst ... Ich möchte es nicht hören, Molly.«
Molly wusste von James und Davinia. Die skandalöse Geschichte darüber, was James Estella angetan hatte, hatte sich in den gehobenen Kreisen Londons schneller verbreitet als die Beulenpest und war sogar in den Klatschkolumnen erwähnt worden.
Molly verstand sehr gut, wie abfällig Flo über Davinia dachte. Sie wusste, dass Estella für Flo die Tochter war, die sie nie gehabt hatte. »Ich glaube, du wirst es wissen wollen, Florence!«
Flo wollte protestieren, doch Molly fuhr ohne Umschweife fort: »Davinia liegt im Krankenhaus. Sie wurde auf dem Grosvenor Square von einem Auto angefahren!«
»Oh!« Das war das Letzte, was Flo zu hören erwartet hatte. »Und wie geht es ihr?«
»Sie hat schwere innere Verletzungen, aber anscheinend erholt sie sich gut.«
Flo seufzte. »Ich sage es nicht gern, Molly, aber die Wege des Herrn sind unerforschlich, und dieses Mädchen konnte nicht einfach herumlaufen und tun, was sie getan hat, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen.«
Flos Reaktion kam für Molly nicht überraschend. Die Freundin war nicht besonders religiös, doch sie hatte immer daran geglaubt, dass man bekam, was man verdiente, und lebte nach dem Motto: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.
»Na, dann muss sie aber sehr viel Kummer verursacht haben, denn sie wird ihr Leben lang unter den Folgen des Unfalls zu leiden haben.«
»Was meinst du damit? Ist sie gelähmt oder entstellt?« Plötzlich hatte Flo ein schlechtes Gewissen, denn das hätte sie nicht einmal ihrem schlimmsten Feind gewünscht.
»Nein. Anthea hat mich gebeten, es nicht zu erzählen, aberich weiß ja, dass du es keinem weitersagen wirst!« In Wirklichkeit hoffte sie, Flo würde es Estella berichten, denn Molly fand, diese habe ein Recht darauf, es zu wissen. Sie setzte eine gewichtige Miene auf, wie immer, wenn sie skandalöse Dinge preisgab. »Davinia war schwanger – aber sie hat das Kind verloren. Anscheinend wollte sie deshalb so schnell heiraten.«
Flo war entsetzt. Es lag ihr auf der Zunge zu sagen: Das geschieht ihr recht; dann aber dachte sie an das unschuldige Kind, und Mitgefühl überkam sie. »Ich verstehe«, murmelte sie und starrte in ihre Teetasse. Sie hatte Molly nicht erzählt, dass Estella schwanger war, und auch sonst niemandem. Und sie würde es auch niemals tun.
»Aber das ist noch nicht alles. Sie war so schwer verletzt, dass die Ärzte operieren mussten, und nun kann sie keine Kinder mehr bekommen. Anscheinend ist sie tief deprimiert, und Anthea ebenso.«
Eine Ironie des Schicksals, dachte Flo. Ich wette, James ist insgeheim erleichtert.
»Davinia war das einzige Kind. Also wird es niemals Enkelkinder geben.«
»Davinia ist mir nie wie ein mütterlicher Typ erschienen«, sagte Flo und kämpfte gegen ihre Bitterkeit an.
»Mir auch nicht. Aber Anthea hat sie bestimmt gedrängt, einen Erben für das Vermögen der Farthingworths’ auf die Welt zu bringen.«
Flo blickte Molly verwirrt an. Ihr Verstand weigerte sich, alles zu begreifen, was sie hörte.
»Du erinnerst dich doch an Antheas zweiten Ehemann, Giles Farthingworth?«
»Ja, natürlich. Ich habe Giles bei Estellas Hochzeit kennen gelernt.« Anthea hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie nur des Geldes wegen zum zweiten Mal geheiratet hatte. Kein Wunder, dass Davinia sich immer wieder wohlhabendealte Männer gesucht hat, dachte Flo. Wie die Mutter, so die Tochter.
Sie hatte Giles gemocht, weil er ein ruhiger, bedachtsamer, aufrichtiger Mann zu sein schien, den Anthea im Grunde nicht verdiente. Flo hatte auch viel über Davinia und James nachgedacht. Sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, warum Davinia sich ausgerechnet James als vierten Ehemann ausgesucht hatte, denn dieser war nicht wohlhabend. Jetzt aber fragte sie sich, ob es vielleicht allein aus dem Grund geschehen war, weil er ihr ein Kind schenken sollte. Wenn es so war, hatte sie James jedenfalls nicht in ihren Plan eingeweiht.
»Giles besitzt mehrere Millionen«, berichtete Molly weiter. »Er ist hässlich wie ein Klippfisch, der Ärmste, aber erstaunlicherweise hat ihn niemand an der Angel gehabt, bevor Anthea ihn sich angelte. Sie ist zu alt, um noch ein Kind zu bekommen, und nun haben sie keinen Erben für das riesige Vermögen. Giles
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