Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
Carolines Erfahrungen lagen immerhin fünfundzwanzig Jahre zurück.
»Estella möchte nicht, dass James von dem Baby erfährt, Caroline«, sagte sie ruhig.
»Aber warum denn nicht?«, fragte die Freundin schrill. »Es ist doch von ihm, oder nicht?«
»Wie kannst du mich so etwas fragen?«
»Tut mir Leid. Ich frage mich nur, seit ich hier sitze, was wohl als Nächstes kommt. Wenn Estella James’ Kind erwartet, sollte er ihr zumindest Unterhalt zahlen!«
Flo seufzte. »Als er ihr von dieser anderen Frau erzählte, hat er gesagt, er sei froh, dass sie keine Kinder hätten, denn sie passten nicht in das Leben, das er sich vorstellt.«
Caroline blickte sie entsetzt an.
Flo fuhr fort: »Ich sollte noch hinzufügen, dass er zu dem Zeitpunkt noch nichts von Estellas Schwangerschaft wusste. Sie wollte es ihm am selben Nachmittag sagen.«
Caroline kämpfte sichtlich mit den Tränen. »Wer ist diese andere Frau?«
»Davinia.«
»Davinia!«
»James ist wegen ihres Geldes mit ihr zusammen und schämt sich nicht einmal, das zuzugeben.«
»Aber er verdient doch sehr gut in seiner Anwaltskanzlei!«
»Das hat Estella auch gedacht – aber er hat behauptet, vollkommen am Ende zu sein.«
Aus Carolines Blicken sprach helle Empörung. »Und das hat sie ihm geglaubt? Wahrscheinlich wollte er sich nur vor dem Unterhalt drücken.«
Flo schüttelte den Kopf. »Die Bank hat das Haus in Mayfair verkauft, um von dem Erlös James’ Schulden zu tilgen.«
»Mein Gott, das wird ja immer schlimmer!« Caroline barg das Gesicht in den Händen. »Ich wünschte, Marcus wäre hier. Er wüsste sicher, was zu tun ist.« Sie stand auf und schenkte sich aus der Karaffe auf dem Sideboard einen Schluck Sherry ein. Dann überraschte sie Flo, indem sie ihr Glas in einem Zug leerte. »Die arme Estella! Mittellos und in anderen Umständen, und allein am schrecklichsten Ort der Welt! Ich werde sieanrufen und ihr sagen, sie soll sofort nach Hause kommen. Marcus und ich werden uns um sie kümmern, bis James Vernunft annimmt. Er muss gezwungen werden, seine Verantwortung wahrzunehmen!«
»Nein, Caroline«, erklärte Flo und erhob sich mühsam. »Das kannst du nicht tun. Estella wird außer sich sein, wenn James von dem Kind erfährt. Bitte versprich mir, ihm nichts davon zu sagen.«
»Ich kann nicht glauben, dass Estella es nicht will. Wahrscheinlich war sie völlig durcheinander, als sie abgereist ist – und du hast ihr romantische Flausen in den Kopf gesetzt, was Ross’ Tierarztpraxis betrifft. Himmel, in all den Wochen, als ich dort war, hat er nicht einen Penny gesehen. Die Leute haben ihm statt einer Bezahlung Hühner gegeben – natürlich ungerupft! –, ein Lamm, zwei oder drei Ziegen, Kuchen, Marmeladengläser, alles Mögliche, nur kein Geld.«
»Ich bin sicher, dass die Stadt seitdem größer geworden ist.« Flo beschloss, ehrlich zu sein. Sie hatte schließlich nichts zu verlieren. »Ich möchte dir nicht verschweigen, dass ich mir immer gewünscht habe, Estella würde Ross kennen lernen. Er war ein guter Mensch, und er hat dich sehr geliebt.«
»Nicht genug, um mich von diesem höllischen Ort fortzubringen. Als es zur Entscheidung kam, war Kangaroo Crossing ihm wichtiger als ich.«
»Vielleicht wäre er dir zurück nach England gefolgt.«
»Aber er hat es nicht getan!«
»Du hast ihm ja auch gar keine Möglichkeit gegeben. Er glaubte, du hättest Heimweh und würdest zu ihm zurückkehren, nachdem du deine Freunde und deine Familie besucht hattest. Wenn du nicht bald zurückkämst, schrieb er mir, wollte er seine Praxis aufgeben und dir folgen. Aber du warst erst ein paar Wochen fort, als er einen Brief erhielt, in dem du ihn um die Scheidung gebeten hast. Es hat ihm das Herzgebrochen, dass du so schnell den Antrag eines anderen Mannes angenommen hattest.«
Caroline war zwar überrascht, jedoch bereit, sich zu verteidigen. »Ich hatte den Eindruck, Ross liebte mich nicht genug, um zuallererst an mein Glück zu denken. Und in meinem Zustand durfte ich keine Zeit verlieren. Marcus hatte angeboten, Estella wie eine eigene Tochter aufzuziehen, was ich sehr anständig fand.«
»Aber sie war nicht seine Tochter. Und jetzt ist ihr richtiger Vater tot, und sie wird ihn nie kennen lernen.« Flos Augen füllten sich mit Tränen, und sie spürte eine überwältigende Sehnsucht, Ross wiederzusehen. »Du wärst es meinem Bruder schuldig gewesen, ihn seine Tochter sehen zu lassen. Ich werde dir nie verzeihen, dass du ihm dieses Recht
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