Ein Hologramm für den König
passiert.
Sie saß ein paar Sekunden schweigend da, stieß dann einen kurzen Schrei aus. Der Schrei war eher komisch als primitiv und holte anscheinend ihre gute Laune zurück.
– Wieso bist du dann zum Abendessen gekommen?, fragte sie.
– Weil ich dich mag. Weil wir hier mitten in der Pampa sind.
– Weil du einsam bist.
– Deshalb auch.
– Ich glaube, du bist absolut hohl.
– Das hab ich dir selbst gesagt.
– Vielleicht nicht hohl. Eher erledigt.
Alan zuckte die Achseln.
– Was hat dich so werden lassen? Da ist kein Licht drin. Sie beugte sich vor und tippte ihm mit dem Finger an die Schläfe. Ihre Brüste drückten kurz auf sein Knie, und er spürte, wie sich etwas in ihm regte.
Alan hatte fast ein ganzes Jahrzehnt lang über ebendiese Frage nachgegrübelt. Nach der Scheidung war er jahrelang wütend gewesen, aber gleichzeitig auch lebendig. Er hatte gelacht, er hatte kurze Beziehungen gehabt, er hatte die Dinge genossen, die zu genießen von ihm erwartet wurde. Aber jetzt war er etwas anderes. Er stand an der gleichen Stelle, wo er einmal an etwas großen Gefallen gefunden hätte – ein Cousin, der in einer Bar einen irischen Folksong sang, die kleine Tochter eines Freundes, die ihm einen Trick auf ihrem Tretroller vorführte –, und er lächelte auf eine Art, von der er hoffte, dass sie als warm rüberkam. Aber er empfand keine Wärme. Er wollte bloß nach Hause. Er wollte allein sein. Er wollte seine Red-Sox- DVD s gucken und dabei Hannes Schnaps trinken.
– Manche würden die Theorie aufstellen, dass du über deine Exfrau nicht hinweggekommen bist. Dass du auf der Stelle trittst.
Alan interessierte sich nicht für Theorien, und das sagte er Hanne.
– Berührst du mich wenigstens?, fragte sie.
– Klar, sagte er.
Sie stand in der Wanne auf, drehte sich um und setzte sich wieder hin, mit dem Rücken zu ihm. Sie lehnte sich gegen ihn, ihr Gewicht nicht viel anders als eine Bleischürze beim Zahnarzt. Seine Hand tauchte zwischen ihre nassen Beine, ihre Finger lenkten seine.
– Kommst du dran?, fragte sie.
– Nicht ganz, sagte er.
Sie hob sich ein wenig.
– So besser?
– Ja.
Sie lehnte sich zurück.
Er rieb ihre Klitoris. Ein Luftschnappen. Dann ein Stöhnen. Er hatte eben erst angefangen, aber ihre Geräusche wurden lauter. Ihre Laute waren schön und guttural und fremd, und wieder spürte er eine Regung. Er fragte sich, ob er doch noch Erregung finden würde. Er spürte einen Anflug, aber der Augenblick verging.
Sie dirigierte seine Finger im Kreis. Dann in Form einer Acht. Ihre Augen schlossen sich, und er wusste, dass sie weit weg war, in einem Teenagerzimmer oder an einem Strand, und in ihrem Kopf war er jemand anders – ein stärkerer, jüngerer Mann. Ein vitaler Mann, ein verfügbarer Mann. Seine Finger kreisten und rieben und flatterten. Ihr Atem wurde unregelmäßig und laut, und ihr Körper wurde schwerer auf ihm.
Er hatte gerade irgendeine Zeitschrift voller Prognosen von Zukunftsforschern gelesen, darunter auch die Gewissheit, dass wir bald Computer in den Kontaktlinsen hätten und in der Lage wären, auf sämtliche Informationen der Welt allein mit den Augen zuzugreifen. Dass wir bessere Organe entwickeln würden, dass die Nanotechnologie es uns ermöglichen würde, krebstötende Stoffe in unserem Körper zu erzeugen, dass wir zweihundert Jahre alt werden würden. Manche befürchteten, wir würden in einen Roboterzustand übergehen, aber wir waren bereits so roboterähnlich, programmiert und leicht zu manipulieren. Wir hatten Knöpfe, wir hatten Schaltkreise, und das alles ließ sich aufzeichnen und erklären, neu programmieren und kalibrieren. Die schiere mechanische Unkompliziertheit, diese Kuriosität, die Klitoris auf und ab und im Kreis zu bewegen, um die höchste Lust zu erzeugen, mutete lachhaft einfach an. Und so machten wir es, weil es eine Art von Glück schuf. Wir drücken die Knöpfe, die die Belohnungen liefern. Wieder war der größte Nutzen eines Menschen der, nützlich zu sein. Nicht der, zu konsumieren, nicht der, zu beobachten, sondern der, etwas für andere zu tun, das ihr Leben verbesserte, und sei es nur für ein paar Minuten.
– Jetzt schneller, zischte sie, und ihr Akzent klang plötzlich stärker.
Er beschleunigte die Bewegungen. Er rubbelte und kreiste, und ihre Atmung wurde angestrengter. Ihre Hand packte seine, ihre andere fasste nach ihren Nippeln, erst dem einen und dann dem anderen. Seine Streichbewegungen wurden länger, und sie
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