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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Augen lange genug aufmachen, um zu merken, dass ich es war. Ich war zu der Zeit nicht genug da, und ich wollte, dass du mich sahst. Los, mach die Augen auf , dachte ich immer. Nur so lange, dass du merkst, dass ich es bin. Ja, das habe ich gedacht. Mach nur so lange die Augen auf, dass du merkst, dass ich es bin. «
    Nein, nein. Wahrscheinlich nutzlos. Das alles. Aber es reicht für heute Abend, dachte Alan und belohnte sich mit einem langen Schluck.
    Bald war er zufrieden, sehr zufrieden mit der Glut des siddiqi. Größe, dachte er. Das hier ist Größe . Er machte es sich auf dem Bett bequem, fand ein altes Red-Sox-Spiel im Kabelkanal und war um neun bewusstlos.
    Am nächsten Morgen bekam er endlich Yousef ans Handy und fragte, ob er nicht Lust hätte, mit ihm zusammen zu essen. – Nein, kann nicht, sagte Yousef. Vorläufig nicht. Er versteckte sich bei einem Cousin, hatte Angst, das Haus zu verlassen. Die SMS von dem Ehemann und seinen Handlangern hatten einen neuen Grad der Bedrohung erreicht.
    Alan aß im Hotelrestaurant zu Mittag, las dabei die Arab News und beobachtete eine Gruppe Geschäftsleute, Europäer und Saudis, an dem Tisch gegenüber. Er hörte ein lautes perlendes Lachen und sah sich um. Zwei Frauen, Westlerinnen, unterhielten sich mit dem Portier. Sie trugen Kopftücher, aber der Rest ihrer Kleidung war kompromisslos – enge Hosen und High Heels. Ihre Stimmen waren zu laut, explosionsartiges Gelächter. Sie erkundigten sich nach Stränden.
    Am Nachmittag ging er ins Fitnessstudio und verbrachte eine Stunde dort, tat so, als würde er diverse Geräte ausprobieren, und belohnte sich mit einem saftigen Steak und dem Rest vom Schnaps.
    Als er sich gut fühlte, frei von Selbstkritik, bemühte er sich bei Kit um Verständlichkeit. Er versuchte, ihre Sorgen, ihre Klagen nacheinander anzusprechen.
    Er schrieb wie verrückt drauflos.
    »Kit, in Deinem Brief erwähnst Du die Sache mit dem Hund.«
    Kit war sechs. Sie drei waren gerade aus der Kirche gekommen, und die Frau ging vorbei, geführt von ihrem Hund, einem Beagle. Ruby fragte, ob der Hund lieb sei, und die Frau sagte Ja, und prompt sprang der Hund Kit ins Gesicht und biss ihr ins Kinn. Verfluchte Scheiße!, hatte Alan gebrüllt, in Hörweite des Priesters, der Kirchenbesucher. Er hatte den Hund weggescheucht, der sich duckte und winselte, als wüsste er, was er verbrochen hatte und was für ein Schicksal ihn erwartete.
    »Dein Mund war voller Blut und Dein blaues Kleid auch, und Du hast wie am Spieß gebrüllt, vor Hunderten Leuten. Ja, Deine Mutter hat gesagt: ›Der Hund ist spätestens Mittwoch tot.‹ Ich war dabei. Ich habe es auch gehört. Und der Hund wurde tatsächlich in der Woche eingeschläfert. Ich weiß, Du denkst, das war ein Zeichen für ihre Kälte oder ihren Sadismus, aber …«
    Alan hielt inne. Er nahm wieder einen langen Schluck.
    Sie hatte das mit einer schrecklichen, emotionslosen Präzision gesagt, nicht wahr? Aber ein Hund, der einfach so angreift, der ein Mädchen beißt, wird nun mal eingeschläfert. Was war Rubys Verbrechen? Recht zu haben?
    Alan erinnerte sich an die Bosheit dieser Worte. Der Hund ist spätestens Mittwoch tot . Was für eine Geistesgegenwart! In den Sekunden nach dem Biss war Alan panisch, kopflos, fragte sich, ob er Kit im Laufschritt die zwölf Blocks zum Krankenhaus tragen sollte oder den Krankenwagen rufen oder sie ins Auto setzen und hinfahren. Aber Ruby verurteilte das Tier bereits zum Tode. Was für eine Berechnung!
    Als das Tier tot war, schickten die Besitzer ein Foto von dem Hund. Oder warfen es ein. Ein Umschlag in Alans und Rubys Briefkasten, ein Foto von dem Hund drin, in glücklicheren Zeiten, mit einem Tuch um den Hals.
    Aber genug von dem Hund. Er hatte die Sache mit dem Hund abgehakt. Er goss sich wieder was ein, trank wieder was. Jetzt war da nur noch die Alkoholfahrt, der Umstand, dass sie Kits Zimmer leer geräumt hatte, während sie in der Schule war, die befremdliche Anwesenheit von Rubys Liebhabern auf Kits bedeutendsten Festen, darunter ihre Konfirmation und die Highschool-Abschlussfeier …
    Er fühlte sich gut, trotz der Briefe. Er fühlte sich beschwingt, flexibel. Er wollte joggen gehen. Er stand auf. Er konnte nicht joggen gehen. Er rief den Zimmerservice an und bestellte einen Korb Brot und Gebäck. Um sich für den Kellner präsentabel zu machen, putzte er sich die Zähne und strich sich das Haar glatt, und während er vor dem Spiegel stand, kam ihm ein Gedanke. Er würde

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