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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Yousef.
    Er führte Alan in sein Zimmer.
    – Es tut mir leid, sagte Alan.
    – Ich lass Sie morgen mit einem Wagen zurückbringen.
    – In Ordnung.
    – Gute Nacht, sagte Yousef und schloss die Tür.
    Alan schlief nicht. Er versuchte, seine Gedanken zu beruhigen, doch alles lief darauf hinaus, was er beinahe getan hätte. Weil er nichts getan hatte, seit Jahren oder schon immer, hätte er beinahe das getan. Weil er keine Geschichten voller Tapferkeit hatte, hätte er beinahe das getan. Weil seine Versuche, so etwas wie ein Vermächtnis zu schaffen, gescheitert waren, hätte er beinahe das getan.
    Irgendwann kurz vor Morgengrauen kam ein Wagen.
    Alan ging zu der Zufahrt, wo Yousef wartete.
    – Das ist Adnan. Er bringt Sie nach Dschidda.
    Adnan blieb im Wagen. Er sah müde und unglücklich aus. Yousef öffnete die hintere Tür, und Alan stieg ein.
    – Es tut mir so leid, sagte er.
    – Ich weiß, sagte Yousef.
    – Es ist wichtig für mich, dass Sie mein Freund sind.
    – Geben Sie mir etwas Zeit. Ich muss mich daran erinnern, was ich an Ihnen mag.
    Alan versuchte, auf der Rückfahrt zu schlafen, konnte es aber nicht. Er schloss die Augen unter der weißen Sonne und sah nur das Gesicht des Jungen, die Gesichter der Männer, Yousefs gelassene Miene, als Alan sich von dem Tal abwandte und sie alle sah. Eine Miene, die von bestätigten Ahnungen kündete.
    Aber wenn er wieder in Dschidda war, würde er zu Dr. Hakem gehen, und sie würde ihn öffnen. Dann würde er wissen, was mit ihm nicht stimmte, und sie könnte es herausreißen.

XXIX.
    ALAN WAR NACKT unter einem dünnen blauen Kittel, in einem Wartezimmer in einem saudischen Krankenhaus, über das er nichts wusste. Gleich würde er sich eine Geschwulst aus dem Nacken entfernen lassen, von der er immer noch argwöhnte, dass sie mit seinem Rückgrat verwachsen war und einen wesentlichen Teil seiner Seele aussaugte, seinen Willen und seine Urteilskraft.
    Während er in einem weißen Zimmer auf einem mechanischen Bett lag, war Alan froh, nicht mehr in der Festung in den Bergen zu sein. Seit seiner Abfahrt dort hatte er sich einen Tag und eine Nacht lang immerzu gefragt: Was hab ich getan?
    Die Antwort war: nichts. Er hatte nichts getan. Doch das brachte ihm kaum Erleichterung. Ihm Erleichterung zu bringen, wäre die Aufgabe von Dr. Hakem.
    Er war im King Faisal Specialist Hospital and Research Center, wo man ihn nach der Aufnahme gebeten hatte, sich auszuziehen und seine Siebensachen in einen Plastikbeutel zu stecken. Jetzt saß er auf dem Bett, fröstelte in dem papierartigen Kittel, betrachtete seine Habe, las das Plastikarmband, das man ihm gegeben hatte, blickte aus dem Fenster, fragte sich, ob das jetzt der Wendepunkt war, wonach er ein kranker Mann sein würde, ein sterbender Mann.
    Er wartete zwanzig Minuten lang in dem leeren Zimmer. Dann vierzig.
    – Hallo!
    Alan blickte auf. Ein Mann schob eine Rolltrage herein. Er bugsierte sie neben Alans Bett.
    – Na denn, sagte der Mann und bedeutete Alan, sich daraufzulegen.
    Alan tat es, und der Pfleger, möglicherweise ein Filipino, breitete sorgfältig eine Decke über ihn.
    – Fertig, sagte er, und sie verließen das Zimmer. Sie rollten durch ein Dutzend graue Korridore, ehe sie schließlich einen einfachen Raum mit Lichtschienen und taubenblau gestrichenen Zementsteinen erreichten. Er war nicht auf einen Operationstisch gefasst gewesen, aber da stand einer, und er wurde gebeten, sich von der Rolltrage daraufzuschieben. Er hatte sich so was Ähnliches wie eine Zahnarztpraxis vorgestellt – klein, intim, nur eine Stufe höher als das Behandlungszimmer, wo Dr. Hakem ihn untersucht hatte. Jetzt kam ihm alles sehr viel ernster vor, und das gab ihm zu denken. Wieder hatte er das Gefühl, dass seine Sorgen begründet waren: Das hier bewies, dass der Knoten in seinem Nacken sehr bedrohlich war, der Ausgang der Operation entscheidend.
    Aber wo war er? Im Raum war nur eine Person: ein Mann in Krankenhausmontur, vielleicht ein Saudi, der in der Ecke stand. Er hatte Alan fast hoffnungsvoll angesehen, als hätte er gedacht, der Mann, der hereingerollt wurde, wäre ein persönlicher Freund. Als er sah, dass es bloß Alan war, verfinsterte sich sein Gesicht und nahm einen höhnischen Ausdruck an. Er zog seine Handschuhe aus, warf sie in einen Abfalleimer und ging. Alan war allein.
    Augenblicke später öffnete sich die Tür, und ein junger Asiat schob ein Gerät auf Rollen herein. Er nickte und grinste Alan an.
    – Hallo, Sir,

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