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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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»Papperlapapp!« fiel Geraint ihm unwirsch ins Wort. »Man mag mir alles mögliche nachsagen können, aber ein Dieb bin ich gewiß nicht.«
    »Verzeiht, Herr.«
    »Schon gut. Wie auch immer - ich habe den Lilienkelch, und ich werde ihn nutzen. Zumindest für einen Versuch.«
    Geraint sah bezeichnend zur Tür hin. Alfred folgte seinem Blick und ahnte, was sein Herr damit meinte.
    »Ihr wollt das Mädchen ...?« fragte er, um sich zu vergewissern.
    »Natürlich. Was meinst du, warum ich ihr nicht alles Blut nahm?«
    Alfred seufzte nur.
    »Aber gönnen wir ihr noch ein Weilchen, um zu Kräften zu kommen. Bis dahin - wie wäre es mit ein wenig Musik, Alfred?«
    »Wie Ihr wünscht, Herr.«
    Der Diener erhob sich und verließ den Raum. Wenig später wehten wieder die Klänge des Cembalos durch das Haus.
    Und Geraint Wyngaard (den Zunamen hatte er einem seiner ersten Geschäftspartner, einem Niederländer, abgenommen, nachdem dieser mangels Leben keine Verwendung mehr dafür gehabt hatte ...) wiegte sich versonnen zur Musik und schwelgte in Träumen, die es wert waren, wahr zu werden. Weil sie das Ende von Geraints Einsamkeit bedeuten konnten.
    *
    »Niemand gilt als guter Bürger Indiens, der nicht fünfzig Leprakranken, jeder in einem anderen Stadium des Verfaulens, gleichgültig gegenüber stehen kann.«
    Diese Worte hatte einst der indische Gelehrte Nirad Chaudhuri gesagt. Ihnen zufolge waren Radhey Pai und seine zwölf Begleiter ausnahmslos guten Bürgern Neu Delhis begegnet: Niemand hatte Anstoß an ihnen genommen oder der dahineilenden Schar auch nur mehr als einen längeren Blick gewidmet. Womöglich wäre es nicht einmal anders gewesen, hätten die zwölf Jäger des Kelches ihre Totenleiber nicht mit dunklen Tüchern verhüllt.
    Den Weg zu Jug Suraiyas Haus zu finden, fiel Radhey nicht leicht. Er war nur zwei- oder dreimal selbst dort gewesen, und die Gegend darum her mied er, wann immer es ging. Es lebten dort keine Leute, mit denen Radhey Umgang pflegte; eher schon suchte Dinesh die Gesellschaft solcher Art - Radheys Gedanken stockten - Dinesh hatte solche Gesellschaft gesucht ... Er trauerte um seinen Bruder, aller Wut, die er auf ihn gehegt hatte, zum Trotz, und die Art seines Todes bereitete ihm noch jetzt, Stunden danach, Übelkeit. Aber das taten seine Begleiter nicht minder .
    Der Unmut der Zwölf stieg, je länger sie unterwegs waren. Sie glaubten sich von Radhey mit Absicht in die Irre geführt, und so erteilten sie ihm in einer dunklen Ecke eine kleine Lektion, aus der er blutig geschunden hervorging. Daß er wenig später tatsächlich Jug Su-raiyas Haus entdeckte, war jedoch purer (und glücklicher) Zufall ...
    Radhey wollte die Höflichkeit wahren und anklopfen, die Kelchjäger indes hielten nichts davon. Endlich am Ziel, stießen sie den jungen Mann kurzerhand zur Seite und drangen in Suraiyas Haus ein.
    Radhey war ihnen kaum gefolgt, als er sie auch schon in der mittlerweile gewohnt vielzüngigen Art und Weise flüstern hörte - und aus den Worten sprachen deutlich Unmut und Zorn der Zwölf.
    »Errr .«
    ». issst .«
    »... nichcht daaa!«
    Daß die Rede nicht von Jug Suraiya war, erfuhr Radhey Pai noch im gleichen Moment. Die fistelnde Stimme des Alten kam aus dem Halbdunkel eines angrenzenden Raumes.
    »So viel Kundschaft zugleich, das erleb' ich selten. Wie kann Jug Suraiya den Herren zu Dien- ugghh!«
    Die letzten Silben wurden Jug Suraiya buchstäblich im Halse erstickt. Eine kalte Hand quetschte ihm die Kehle, und von ihrem feuchten Fleisch kroch ein bleicher Wurm hinüber auf den faltigen Hals des Alten, wie Radhey mit seltsamer Deutlichkeit bemerkte, als wäre dies das Wichtigste des Augenblicks.
    Der Wächter drückte Suraiya mit Gewalt gegen den Türrahmen, während die anderen auf ihn eindrangen. Ihr Wispern füllte das ganze Haus, und es war Radhey unmöglich, einzelne Worte herauszuhören.
    Der alte Händler wimmerte unter der Flut der auf ihn einstürzenden Stimmen und Fragen aus zwölf Mündern zugleich, zudem peinigten sie ihn noch mit ihren im Tode gewachsenen Klauen, auf daß er ihnen den Verbleib des Kelches preisgab, dessen Präsenz die Jäger nicht mehr spürten.
    »Verkauft«, winselte Suraiya schließlich. »Ich hab' das elende Ding verkauft.«
    »Woooo ...?«
    »... annn wennn?«
    Ihre Fragen klangen wie das Zischeln einer Schlange.
    »Im Club ...«, preßte der Alte hervor. Unter dem Würgegriff war ihm längst der Atem knapp geworden. Die Klaue ließ ihm gerade genug Luft

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