Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
Vom Netzwerk:
durchgegangen. Außerdem war er nervös gewesen, dass Tim gleich zur Tür hereingerauscht käme, sein T-Shirt ausziehen und die Musikanlage anschmeißen würde. Wie hätte denn das auf Theodor gewirkt? Nun, es war so, wie es war.
    Jetzt musste David zusehen, dass er sich über Wasser hielt. Ein Bekannter hatte ihm einen Termin zum Vorsprechen in einem Synchronstudio zugeschustert, morgen würde er zum Blutspenden gehen, und die Charité suchte Probanden für klinische Studien. Doch damit würde er nie und nimmer jeden Monat tausend Euro zusammenbekommen, und die Vorstellung, sich Pocken-, Influenza- oder Ebolaviren auszusetzen, gab ihm auch ein ungutes Gefühl.
    Ach! Wenn er doch einfach mal mit einem Bild Geld verdienen würde. Bisher hatte er sich eher darauf konzentriert, Bilder zu malen, als sie zu verkaufen. PR und Business, das lag ihm einfach nicht. Der ganze Keller war voller Hummergemälde. Davor hatte er eine Eiffelturm-Phase gehabt. Ein Gemälde von Robert Delaunay hatte überaus inspirierend auf ihn gewirkt. Er war eben Künstler. Eigentlich müsste er sich einen Manager nehmen. Aber wie sollte er den auch noch bezahlen? Es war ein Teufelskreis.
    Geld, Geld, immer nur Geld.
    »Herthalein …« David wollte ihr so gern sein Herz ausschütten, aber konnte er die Tatsache, dass sie Theodors Mutter war, außer Acht lassen? Die Frage war wohl eher: Konnte sie es?
    »Geh schon mal auf den Balkon«, wies sie ihn an.
    Während Hertha in der Küche herumwerkelte, setzte sich David neben die Kästen voller roter Geranien, die einen eigenwilligen Geruch verströmten. Nachdenklich betrachtete er ein schwarz-grün gemasertes Blatt, zupfte an einem Blütenkopf.
    Ich könnte auch mal ein paar Blumen malen, dachte er.
    »Sprite oder Fanta?«, rief Hertha aus der Küche.
    »Fanta.«
    Blumen halten still, Blumen kann man hinterher einfach wegwerfen. Aber Blumen malt ja nun wirklich jeder. Vielleicht male ich verwelkte Blumen? Verwelkte Blumensträuße in grünlich angelaufenen Wassergläsern. Das ist originell, es versinnbildlicht das Welken der westlichen Zivilisation, ihre verdorrte Moral, das Verblühen …
    »Bitte sehr, ich habe dir drei Eiswürfel hineingetan.« Schnaufend setzte sich Hertha. »Ist das auf einmal warm geworden. Ist ja nicht mehr normal. Was macht die Malerei?«
    »Würdest du ein Bild kaufen, auf dem verwelkte Blumen zu sehen sind?«
    »Nee.« Hertha schüttelte den Kopf. »Aber ein Hummerbild würde ich dir gern abkaufen. Das mit dem Hummer und dem Kerzenhalter und der blauen Kaffeekanne.«
    »Echt?« David fühlte sich schlagartig getröstet. Die kühle Limonade schmeckte gut, ein leichter Wind rauschte durch die Bäume, die Geranien verströmten ihren merkwürdigen Geruch, und er saß unter einem gestreiften Sonnenschirm, zerkaute Eiswürfel und hatte das Gefühl, er wäre wieder acht.
    »Was soll denn das kosten, David?«
    Dreitausend Euro , hätte er jedem anderen Interessenten an den Kopf geworfen, doch jetzt tätschelte er nur Herthas Hand. »Ich schenke es dir, Herthalein.«
    »Kommt ja überhaupt nicht in Frage.«
    »Ich bestehe darauf.«
    Hertha sah ihn durch ihre Brillengläser durchdringend an. Ihre hellblauen Augen blitzten. »Ist was passiert? Du bist so komisch.«
    »Ach, Hertha.«
    »Habt ihr beiden wieder Ärger?«
    »Du weißt ja, wie Theodor ist.«
    »Jaja.«
    »In letzter Zeit war er so gereizt. Er konnte nicht mal mehr im Kino stillsitzen. Und er hat mich so dermaßen unter Druck gesetzt.«
    »So? Womit denn?«
    »Immer muss alles nach seiner Nase gehen. Er wird ja immer kompromissloser. Sogar gedroht hat er mir …« David legte seine Stirn in die Hände. Was bin ich doch für ein Arsch, dachte er.
    »Theodor hat Stress«, sagte Hertha mit Nachdruck.
    »Was meinst du, wie viel Stress ich habe?«
    »Ach, was.«
    »Ja! Und außerdem will er immer mit mir zusammenziehen.«
    »Aber das wäre doch sehr vernünftig«, rief Hertha.
    »Und wo soll ich dann malen? Künstler brauchen geistige und räumliche Weite.« Seine Arme schrieben große Kreise in die Luft, streiften die Geranien und ließen einen kleinen Terrakotta-Spatzen von der Balkonbrüstung auf die Straße fallen. »Hups!« David schaute in die Tiefe. »Jetzt ist er kaputtgegangen. Aber wenigstens hat ihn keiner auf den Kopf bekommen.«
    Hertha antwortete nicht.
    David setzte sich wieder hin. »Und ich würde doch nur den ganzen Parkettboden versauen!«
    »Trotzdem.«
    »Trotzdem was?«
    »Ich verstehe nicht, warum ihr nicht

Weitere Kostenlose Bücher