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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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nicht erinnern, diesen Quatsch gekauft zu haben. War das jetzt schon das Korsakow-Syndrom? Wunschmünzen . Sie musste würgen, und während sie ein wenig Gallenflüssigkeit in die Toilettenschüssel spuckte, fielen ihr doch noch zwei überaus wichtige Angelegenheiten wieder ein. Zum einen hatte sie heute um achtzehn Uhr einen Drehtermin für die TV -Show, in der sie fünf Bücher vorzustellen hatte, von denen sie kein einziges gelesen hatte.
    Zum anderen hatte sie sich in der letzten Nacht verliebt .
    Sich in seinen Therapeuten zu verlieben, das war schon besonders dämlich, fand sie, und nachdem ihr Magen endlich Ruhe gab, putzte sie die Toilette, warf die drei Wunschmünzen hinein und spülte. Vielleicht hätte ich mir was wünschen sollten, dachte sie, doch dann siegte zum Glück die Vernunft, und Natalie schluckte zwei Migränetabletten auf einmal. Sie stellte sich unter die Dusche, wo sie mit besonders viel »Südseezauber-Duschgel« einen heftigen Schwindelanfall niederrang.
    »In den eigenen Therapeuten verknallt«, sagte sie laut und schüttelte den schmerzenden Kopf. Das passte zu ihr. Besonders ärgerlich daran war, dass sie nicht mit ihm darüber reden konnte. Hören Sie mal, Herr Silberstadt, oder darf ich Theo zu Ihnen sagen? Das hat jetzt sozusagen nichts mit Ihnen zu tun, aber gestern Abend, zwischen einem Einkauf im Elfenland und einer Fahrt in der Geisterbahn, habe ich mich ganz doll in Sie verliebt. Was würden Sie mir aus psychologischer Sicht raten?
    »Sehr witzig.« Natalie kam aus der Duschkabine und hüllte sich in einen Morgenrock. Während sie sich die Zähne putzte, sprühte sie Sagrotan auf die Fliesen und Deo in ihre Achselhöhlen. Dann ging sie ein wenig unentschlossen ins Wohnzimmer, wo sie den Fernseher, ihr Handy und den Computer einschaltete, und weiter in die Küche, um Kaffee zu kochen und das Radio anzumachen. Sie war wieder auf Sendung. Aber so unkonzentriert. Womöglich hatten doch einige Synapsen Schaden genommen. Was wollte sie machen? Kaffee. Das Radio schnatterte vor sich hin: »Totalsperrung auf dem südlichen Berliner Ring. Bei Ludwigsfelde wird zurzeit eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. Der amerikanische Blindgänger …«
    Natalie starrte aus dem Fenster in einen schattigen Hinterhof, der so aussah, als hätte er seit 1931 keine gartenarchitektonische Beachtung mehr erfahren. Genau das mochte sie eigentlich an ihm: die alten Gehwegplatten voller Risse, die längst aus der Mode gekommenen, hell eingefassten Beete, in denen seit Jahrzehnten Funkien und Buchsbäume wucherten, Moosinseln dazwischen, nicht einmal mehr Unkraut. Hier wird der Vergänglichkeit mit Verwunschenheit getrotzt, dachte Natalie und fand, dass das eine richtig schöne Formulierung war. Eine Weile stand sie einfach nur so da. Dann schaltete sie die Espresso-Maschine ein und das Radio lauter.
    »›And when the rain begins to fall, I’ll be the sunshine in your life, you know that we can have it all and everything will be allright‹«,sang Natalie mit. Sie liebte dieses Lied, obwohl sie es niemals zugegeben hätte.
    Wie Theodor sie gestern am Ellenbogen zum Taxi geführt hatte. So gewandt, so gentlemanlike. So väterlich.
    »Oh mein Gott! Es wird immer schlimmer mit mir!«
    Die Maschine verströmte warme Wohlgerüche, zischte abschließend. Der Espresso stand bereit. Natalie stapelte drei Stück Würfelzucker in der winzigen Tasse übereinander, beobachtete, wie sich das Zuckertürmchen braun verfärbte und in sich zusammenfiel. Sie nahm einen Schluck, es war ihr viel zu süß. Ich muss hier raus, sagte sie sich, ich gehe ins Café.
    Und während der Drucker Lesermeinungen ausspie, die sie noch schnell bei Amazon gesucht hatte, schminkte sich Natalie sorgfältig. Man konnte ja nie wissen, wen man auf der Straße traf oder ob man unterwegs zu Tode kommen würde.
    Zur selben Zeit saß Theodor in seiner Praxis und hörte einer Frau zu, die sich auf der roten Couch ausgestreckt hatte und mit so leiser Stimme sprach, dass er sich stark konzentrieren musste, um sie zu verstehen. Seine Gedanken schweiften unentwegt ab, kreisten immer wieder um David. Er hatte seit gestern nichts mehr von ihm gehört. Seine Mutter merkwürdigerweise auch nicht. Theodor hatte sie vorhin angerufen und gefragt. »David?«, hatte sie geantwortet. »Keine Ahnung.«
    Theodor war erstaunt. David und Hertha waren immer ein Herz und eine Seele gewesen. Sie telefonierten täglich mehrmals miteinander, und einmal in

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