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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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»Lecker«, befand sie. »Möchten Sie probieren?«
    »Nein, vielen Dank.« Theodor gab der Bedienung ein Zeichen, seinen Teller abzuräumen. Er hatte keinen Hunger mehr, trank nur den Espresso, der inzwischen lauwarm geworden war.
    Natalie kaute, schluckte, dann sah sie ihn an. »Sie brauchen nicht auf mich zu warten. Das ist ja hier ein rein zufälliges Treffen, und wenn Sie weitermüssen, habe ich vollstes Verständnis. Bestimmt haben Sie Termine …«
    »Nein, aber nein«, beeilte sich Theodor zu sagen.
    Sie lächelte ihn an.
    David hatte Recht, dachte Theodor. Sie hat wirklich Ähnlichkeit mit Andrea Sawatzki. Die kurze Oberlippe, die jede Menge Zähne und Zahnfleisch freilegt, wenn sie lacht, die Sommersprossen, die Fältchen um die hellen Katzenaugen, das lange, rötliche Haar.
    »Haben Sie denn etwas gehört von …« Natalie versuchte eine Radieschenhälfte auf ihre Gabel zu spießen, »von … von … Ihrer Partnerin?«
    »Wie bitte?«
    »Also, von Ihrer Ex … Ihrer …« Das halbe Radieschen sprang beiseite, schlitterte durch Leinöl, streifte den Quark und hüpfte auf Natalies Schoß, wo es auf dem Etro-Rock einen Fleck hinterließ. »Mist! Ihrer Expartnerschaft!«
    »Ach so. Nein, überhaupt nichts.«
    »Und wie geht es Ihnen damit?«
    »Bescheiden.«
    Natalie sah ihn voller Mitgefühl an. »Das kann ich mir denken. Fünfundzwanzig Jahre gehört man zusammen, geht gemeinsam durch dick und dünn, und dann soll von einem Moment zum nächsten alles vorbei sein. Das muss man in seiner grenzenlosen Ungeheuerlichkeit erst mal begreifen, bevor man es auch nur im Ansatz verarbeiten kann. Sie müssen ja unter Schock stehen.«
    Grenzenlose Ungeheuerlichkeit. Theodor nickte andächtig. »Das trifft es genau.«
    »Meinen Sie, dass ein anderer Mann im Spiel ist?«, fragte Natalie, die noch einen Bissen von ihrer Kartoffel genommen hatte, aber plötzlich satt war.
    »Ein anderer Mann?« Theodor sah sie erschrocken an. »Oh, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Es ist, wie Sie eben so treffend formulierten: Ich stehe unter Schock. Ich habe noch über gar nichts nachgedacht. Ich …« Theodor brach ab und knetete mit geschlossenen Augen heftig seine Nasenwurzel.
    »Herr Silberstadt«, sagte Natalie leise. »Es tut mir so leid.«
    Er räusperte sich, trotzdem klang seine Stimme belegt. »Sie sind sehr fürsorglich.«
    »Das hat noch niemand zu mir gesagt.«
    »Frau Schilling.« Theodor setzte sich kerzengerade hin. »Würden Sie mir die große Freude erweisen und mich nächste Woche mal für Sie kochen lassen?«
    »Ja, aber …«
    »Ich wohne am Lietzenseeufer, Haus Nummer 10. Am Mittwoch? So gegen zwanzig Uhr?«
    »Liebend gern, aber Sie sagten doch vorhin …« Halt den Mund, du dumme Gans ,knurrte die innere Stimme. »… dass Sie auf ein ausgewogenes … äh … Verhältnis zu achten haben«, endete Natalie trotzig.
    »Hm«, machte Theodor.
    Siehst du , schrillte die Stimme. Jetzt hast du ihn verschreckt. Warum musst du eigentlich immer die Schlaubergerin raushängen lassen?
    Das ist ja etwas ganz Neues, dachte Natalie irritiert. Sie hörte Stimmen. Eigentlich war es ja nur eine. Aber die war schon durchdringend genug.
    »Ich bin davon überzeugt, dass unsere Beziehung ausgeglichen bleiben wird«, sagte Theodor gerade. »Ich trage mich sowieso mit dem Gedanken … also, meine Mutter hat gesagt … dass ich mich zur Ruhe setzen sollte. Und …«
    »Ihre Mutter ?«, unterbrach Natalie.
    »Ja. Und ich beginne, mich mit der Idee anzufreunden. Meine Mutter hat eigentlich immer Recht. Sie ist eine kluge Person. Sie kennt mich schon sehr lange, ähm … was ich sagen will, ist, dass sie mich sehr gut kennt. Niemand kennt mich besser als sie, und deswegen …«
    In diesem Augenblick klatschte Natalies Handtasche auf den Fußboden und spuckte einen Taschenspiegel, zwei Tampons und ein leeres Fläschchen Notfalltropfen aus.
    »Oh, dieses Miststück!«, rief Natalie. »Das tut sie immer!«
    »Ah ja?« Verwundert betrachtete Theodor die Handtasche, die wie ein schlaffes, aufgeplatztes Organ in Violett auf dem Fußboden lag, während Natalie auf allen vieren herumkroch. »Ich komme gern zu Ihnen«, rief sie unter dem Tisch.
    Theodor erhob sich, als Natalie wieder auftauchte. »Ich freue mich sehr«, sagte er feierlich. Und dann verabschiedeten sie sich voneinander.
    ▶◀
    Theodors SMS erreichte David auf der A24, auf der er sich gerade mit einem Kleintransporter voller Hummerbilder, Sektflaschen und Fischhäppchenplatten von

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