Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
Vom Netzwerk:
Hof, bitte schön.«
    David stöhnte gequält auf, gleichzeitig piepste sein Handy. »Wieso haben Sie mir das nicht … ach, egal.«
    Er startete. Einige Passanten waren stehen geblieben, hatten sein verzweifeltes Vor- und Zurücksetzen beobachtet und freuten sich, dass es nun weiterging. Eine Zeitlang sah es so aus, als würde sich David immer tiefer in die Lücke hineinarbeiten. »Scheißescheiße«, keuchte er. Schweiß lief ihm in die Augen, doch schließlich gelang es ihm, den Laster zu befreien.
    Die gaffenden Neuruppiner applaudierten, jemand rief: »Bravo!«
    Mit zusammengebissenen Zähnen und überhöhter Geschwindigkeit fuhr David einmal um den Block und dann endlich durch eine kleine Einfahrt neben dem Haus Nummer 43. Ein leerer Hof empfing ihn. David parkte im Schatten eines Baumes und atmete auf. Gerade wollte er zum Handy greifen, da stand die dicke Frau schon wieder am Wagen und machte ein strenges Gesicht. »Hannelore Schrader«, sagte sie knapp. »Eröffnung um achtzehn Uhr. Kommen Sie.«
    »Soll das eine Verhaftung sein?«, scherzte David und wischte sich über die Stirn.
    Angewidert schaute Hannelore Schrader ihm dabei zu. »Nein.«
    Auch noch humorlos. David hielt ihrem Blick stand. Das wird nichts mit uns beiden, Schweineaugen-Schrader. Das fängt hier alles schon viel zu blöd an.
    Er versuchte zu lächeln. »Ich komme gleich nach.«
    Die Frau drehte sich um, watschelte quer über den Hof, steuerte ein niedriges Backsteinhaus an und verschwand hinter einer Glastür, auf der die Silhouetten von Schwalben klebten.
    Eröffnung um achtzehn Uhr? Was war denn das für eine unsäglich alberne Uhrzeit? Sesamstraßenzeit. David schüttelte den Kopf. Er war versucht, den Laster einfach wieder anzulassen und im Rückwärtsgang hupend durch die Einfahrt zu brettern, den Gaffern zuzurufen: »Degenerierte Dorftrottel!«, und dann, brüllend vor Lachen, zurück nach Berlin zu fahren, Theodor alles zu erzählen, mit ihm das Beste von den Rogacki-Häppchenplatten runterzuessen und Sekt zu trinken und … ach, Theodor. Er würde sich ausschütten vor Lachen über so eine Episode, und er würde sagen: »David, erzähl mir keine Geschichten, du bist überhaupt nicht in der Lage, einen Laster im Rückwärtsgang durch eine enge Einfahrt zu steuern und dabei noch zu hupen. Ich bin erstaunt, dass du es überhaupt bis nach Neuruppin geschafft hast.« Und dann würde er mit seiner eleganten Hand nach einem Fischhäppchen greifen und augenzwinkernd sagen: »So sind mir Hummer doch immer noch am liebsten: auf einem Canapé oder Blini, mit einem Klacks Mayonnaise. David, schenk doch mal Sekt nach, oder besser noch Champagner. Ein oder zwei Flaschen stehen im Kühlschrank, und dann muss ich dir erzählen, was heute wieder in der Praxis los war. Da gibt es einen Mann, der hat mir erzählt, dass seine Großmutter immer so haarige Beine gehabt hat, dass es ihn bis heute schüttelt und …«
    Davids Hand zitterte, als er zum Handy griff. Ich hätte Theodor nicht so abblitzen lassen dürfen, dachte er voller Reue. Er hat den ersten Schritt gemacht, und ich weiß, wie schwer ihm das fällt.
    DANN HAB MICH DOCH GERN , DU BINDUNGSUNFÄHIGER KRUSTENTIERSCHÄNDER .
    David stöhnte auf. Und dann, passend zu den Temperaturen im unklimatisierten Kleintransporter, überkam ihn ein glühend heißes Gefühl: Wut. Wut darüber, dass Theodor sich wieder wie ein schmollender Teenager aufführen musste, aber vor allem Wut auf sich selbst, denn David hatte den Eindruck, etwas vermasselt zu haben. Er hätte doch wenigstens mit Theodor reden können. Ihm sagen, dass er nicht grundsätzlich gegen eine Versöhnung sei, dass man vielleicht zu einer Paarberatung gehen sollte, dass er immer gern mit ihm zusammen gewesen war, dass … Das Handy piepste schon wieder. 1 Mitteilung empfangen stand auf dem erleuchteten Display. Aufgeregt drückte David auf Zeigen und las: FUCK . THERE IS NO MORE BEER .
    Tim.
    David wollte brüllen, warf aber stattdessen sein Handy aus dem Autofenster. Ein unschönes, klirrendes Geräusch erklang, dann war das Handy durch ein Gullygitter gefallen und verschwunden. Ungläubig starrte David aus dem Fenster. Und dann brüllte er doch. Es hallte schauerlich im Hof wider, einige Spatzen flogen auf, die Glastür öffnete sich, und die dicke Schrader machte Anstalten, wieder anzuwatscheln.
    Mit hängenden Schultern stieg David aus dem Laster. »Erfolg, ich komme«, flüsterte er.
    Kurz darauf wurde er durch die Galerie geführt,

Weitere Kostenlose Bücher