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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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alles zu viel.«
    Nun öffnete er gerade wieder die Tür zum Salon und beobachtete erstaunt, wie Natalie Schilling versuchte, einen zerbrochenen Glückskeks in das Einwickelpapier zurückzuschieben.
    »Was machen Sie denn da?«, fragte Theodor.
    Ihr Kopf fuhr in die Höhe. »Oh, da sind Sie ja schon wieder. Ich … habe Ihnen nur schon mal den Keks aufgemacht.« Sie lächelte ihn an. »Damit Sie gleich weniger Arbeit damit haben.«
    »Wie aufmerksam.« Theodor ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
    »Wollen Sie nicht wissen, was drinsteht?«
    »Nicht unbedingt.«
    »Dann lese ich es Ihnen vor.«
    Theodor lächelte matt. »Sie werden sich spontan irgendetwas aus den Fingern saugen, nur damit es sich gut für mich anhört, ich kenne Sie doch, Frau Schilling.«
    »Würde ich niemals tun«, widersprach sie und schob den ramponierten Keks quer über den Tisch. »Bitte.«
    Theodor seufzte. Es ging ihm gar nicht gut. Ob es das fettige Croissant war oder die Überdosis Codein? Oder beides zusammen? Vielleicht bekam er auf seine alten Tage einen empfindlichen Magen? Er stieß auf. »Pardon.« Dann fischte er eine Kekshälfte aus dem Tütchen.
    »Das kommt schon mal vor, dass so ein Keks zerbrochen ist«, sagte Natalie eifrig, »der Teig ist ja auch recht dünn.«
    Theodor las: »Wer den Kern essen will, muss die Nuss knacken.«
    »Na, so etwas!«, rief Natalie erstaunt.
    Was für ein Segen, dass sie ihre fünf Glücksbotschaften gestern in Lisa (die Listige) gelegt hatte. Und was für ein noch größerer Segen, dass Lisa sie nicht auf ihre gefräßige Handtaschenart irgendwohin verdaut hatte. So hatte Natalie die schlechte Nachricht Ein Unglück kommt selten allein blitzschnell gegen eine ihrer eigenen Botschaften vom Vortag ausgetauscht.
    »Das sagt mir nichts«, maulte Theodor. »Und außerdem bin ich allergisch auf Haselnüsse.«
    Besser eine unverständliche Nachricht als eine schlechte, dachte Natalie und sagte: »Sie müssen das bildhaft sehen.«
    Er hustete so heftig, als ob bereits der Gedanke an Nüsse eine allergische Schockreaktion ausgelöst hätte.
    »So!« Natalie erhob sich. »Ich räume Ihnen jetzt mal eben die Küche auf. Und Sie legen sich wieder hin. Sie sind ja ganz hellgrün im Gesicht.«
    »Das müssen Sie wirklich nicht tun, ich …«
    »Abmarsch.« Natalie machte eine wedelnde Handbewegung, die sie sich von Hertha abgeschaut hatte, und zu ihrem großen Erstaunen trollte sich Theodor wortlos in sein Schlafzimmer.
    Die Tür klappte hinter ihm zu.
    Alles war still.
    Natalie sah sich um. Eine Traumwohnung, dachte sie und zog ihre Schuhe aus. Über honigfarbenes Parkett, das in der Sonne schimmerte, ging sie barfuß zum Fenster. Wie ein Mini-Eiffelturm hob sich der Funkturm gegen den blauen Himmel ab. Natalie musste an das Fernsehbärchen ihrer Kindheit denken, und dann fiel ihr die Büchershow ein. Ihr Magen krampfte sich zusammen. In der Wohnung schlug irgendwo eine Uhr. Es schien von weit weg zu kommen.
    Natalie begann den Tisch abzuräumen. Sie gab sich große Mühe, nicht mit dem Geschirr zu klappern.
    So ist es vielleicht, wenn man verheiratet ist, dachte sie und ging auf Zehenspitzen in die Küche. Dann gehört man zusammen, dann sorgt man füreinander, dann bespricht man sich. Sie begann die Auflaufform abzuwaschen. Ach, womöglich war ihr doch etwas entgangen? Das Zusammenleben mit einem Mann konnte vielleicht ganz nett sein. Vor allem mit einem so hinreißenden wie Theodor Silberstadt. Keuchend schrubbte Natalie an den Fischresten herum. Sie hatte wohl nie die richtigen Signale gesendet. Empfangen hatte sie allerdings auch nie welche. Die Männerwelt war für sie ein Mysterium. Vielleicht … erschrocken sah sie auf, vielleicht hatte sie schon wieder nichts kapiert, und Theodor lag nebenan im Schlafzimmer und wartete auf sie? Womöglich … nackt? Woher sollte sie das wissen? Und wenn sie nicht käme, würde er glauben, dass sie nichts von ihm wollte? Oh, die Liebe war kompliziert. Warum waren ihr die Spielregeln nie erklärt worden? Natalie drehte den Heißwasserhahn zu, lehnte sich gegen den Kühlschrank und grübelte: Wer gefunden werden will, muss sich verstecken , hatte einer ihrer himmlischen Hinweise geheißen. Theodor hatte sich also im Schlafzimmer versteckt (im übertragenen Sinne) und wartete darauf, dass sie ihn fand. Und sie, Natalie, war die Nuss (auch wieder bildhaft natürlich). Sie war die Nuss, die er zu knacken hatte, um an ihren (Sie kicherte schulmädchenhaft.) Kern zu

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