Ein Hummer macht noch keinen Sommer
die geht es.«
»Ach, du grüne Neune. Gib sie mir mal.«
David reichte den Hörer weiter und stand auf. Mayonnaise? Er kicherte. Selbst geschlagen? Mit einem Hauch Curry und frischer Zitrone? So bereitete Theodor sie zu, und niemals in seinem ganzen Leben hatte David eine bessere Mayonnaise gegessen als diese. Er sollte sich die Erinnerung daran nicht mit der Vorstellung qualvoll erstickender Blutsauger verderben.
»Bu-hu«, machte Rosie ins Handy.
David ging ins Wohnzimmer. Über Rudolfs Schreibtisch hing das Gemälde Tiefkühlhummer auf Anker , das er ihm geschenkt hatte. Mit verschränkten Armen blieb er davor stehen. Ein warmes Gefühl durchströmte ihn. Habe ich gemalt, dachte er. Sieht toll aus auf der dunkelgrün gestrichenen Wand. Dieser Rudolf hat doch wirklich Kunstverstand.
David wollte gerade weiter durch die geschmackvoll eingerichtete Wohnung schlendern, da zog Rosie von hinten an seinem Hemd. »Hertha sagt, es ist nicht so schlimm«, verkündete sie und gab ihm sein Handy zurück. »Das wird gleich ein großes, grässliches Massensterben auf meinem Kopf.«
»Wenn dir die Vorstellung gefällt.« David lächelte.
Rosie nickte.
»Wie war denn das nun mit dem Teeständer?«
»Fängst du schon wieder damit an?«, fuhr Rosie ihn mit funkelnden Augen an. »Ich habe gerade wirklich keine Nerven dafür.« Das sagte ihre Mama auch immer zu ihr.
»Verstehe.« David nickte.
»Also gut«, Rosie schaute mitleidig zu ihm auf. »Es ist ein Ständer …«
»Das meine ich gar nicht«, unterbrach David und sah ein ameisenähnliches Insekt über Rosies Schläfe spazieren. Ich sage jetzt lieber nichts, dachte er sich, sonst schreit sie wieder. »Ich wollte nur wissen, was das für eine Galerie ist, die dein Papa hat.«
»Du meinst, da, wo die Bilder hängen?«
»Ja.« Davids Augen glommen.
»Das ist die Wand neben dem …« Rosie holte tief Luft. Heute war wohl mal wieder so ein Tag, an dem sich die Erwachsenen besonders dumm anstellten, »… neben dem Ständer mit dem Tee«, beendete sie seufzend ihren Satz.
»Die Wand ?«, rief David.
»Ja-ha. In der A-po-the-ke.«
»Dein Vater stellt Bilder in einer Apotheke aus?«, kreischte David und war erstaunt, wie hoch seine Stimme klingen konnte.
Rosie strahlte. »Toll, was? Und du darfst auch mal.«
»Aber … aber … Ich dachte, er hätte eine richtige Gemäldegalerie.« Davids Knie fühlten sich ganz weich an.
»Hat er doch.«
»Er hat eine Wand , Rosie, eine verdammte Wand .«
»Na, sollen deine Bilder auf dem Boden liegen, oder was?« Mit beiden Fäusten schrubbte sich Rosie gereizt die Schläfen.
»Ich fasse es nicht«, murmelte David. »Rudolf ist kein Galerist, sondern Apotheker.«
Rosie nickte heftig mit dem Kopf. »Und Papa sagt, wenn ich artig bin, dann kriege ich im Herbst auch meine eigene Ausstellung in der Apotheke.« Sie räusperte sich und machte ein altkluges Gesicht. »Ich arbeite nämlich an einer Serie, die sich Fliegende Krokodile nennt. Und Papa ist begeistert.« Wie rotes Stroh standen ihr die Haare vom Kopf ab.
»Dann sind wir ja Kollegen, Rosie.« David musste sich auf den Fußboden setzen.
»Ja.« Lächelnd sah sie ihn an.
In diesem Moment wurde die Wohnungstür aufgeschlossen, und Rudolf war wieder da. »Rettung naht!«, rief er.
Mühsam rappelte sich David auf. »Ich gehe dann mal.«
»Nee!«, schrie Rosie. »Du sollst nicht gehen. Willst du nicht beim großen, grässlichen Massensterben mitmachen?«
»Eigentlich nicht.«
Rudolf war ins Bad geeilt. »Kommt, es geht los! Jetzt wird dieses Mittel einmassiert, man lässt es dreißig Minuten wirken, und dann …«
»Rudolf«, sagte David matt. »Du hast gelogen.«
Rudolf saß auf dem Badewannenrand, hielt eine kleine Sprühflasche in den Händen und sah schuldbewusst auf.
»Ich habe ja nie gesagt, dass ich eine Galerie hätte«, murmelte er undeutlich.
»Willst du mich verarschen?«, brüllte David.
»Hui, böses Wort.« Rosie setzte sich auf den geschlossenen Toilettendeckel.
»Nein, wirklich nicht, David!«, rief Rudolf. »Ich möchte deine Hummer ausstellen, weil ich sie göttlich finde.«
»In einer beschissenen Apotheke? Neben einem beschissenen Teeständer ?«, brüllte David, immer lauter werdend, und seine Hände ballten sich zu Fäusten, die er Rudolf am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte.
»Hey, die Apotheke von meinem Papa ist gar nicht beschissen!«, protestierte Rosie vom Klodeckel aus.
»Ich wollte dir nur anbieten, was in meiner Macht steht«,
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