Ein Hummer macht noch keinen Sommer
auseinander. Aber das reichte mir noch lange nicht, das sollte erst der Anfang sein, ich holte wieder aus, wäre dabei beinahe nach hinten gekippt, schlug noch mal zu und noch mal, und bunter Kunststoff flog mir wie Konfetti um die Ohren. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gut mir das tat. Wie von Sinnen hackte ich immer weiter. Die Holztür bekam auch ein bisschen was ab. Schließlich stand ich in einem Haufen Plastikschnipsel und hörte mich auf schauderhafte Weise lachen. Ich weiß schon, dass das total kindisch gewesen ist, aber irgendetwas hat sich seitdem in mir gelöst. So leicht habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt. Ich höre keine Stimmen mehr und bin sicher, dass kein einziger Zwerg dieser Welt es noch wagen würde, mich zu verfolgen.« Natalie holte tief Luft. »Das Thema ist durch.«
»Interessant«, sagte Theodor lahm, weil ihm nichts einfallen wollte.
»Und deswegen brauche ich nicht mehr zu Ihnen zu kommen«, fuhr Natalie mit glühenden Wangen fort. »Ich habe irgendetwas Vergessenes, Verdrängtes, Vorsprachliches auf den Mond geschickt.«
»So ist es wohl.«
»Haha!«, lachte sie. »Das ist gut, auf den Mond, hahaha. Bestimmt habe ich mit meinem Zwergen-Massaker auch jede Menge Wut auf meinen Vater aufgelöst.«
»Trotzdem haben Sie sich strafbar gemacht«, sagte Theodor, »Diebstahl und Vandalismus.«
Natalie zuckte mit den Schultern. »Damit kann ich leben.«
»Was tun Sie, wenn Herr Danzfuß einen weiteren Zwerg in den Hof stellt? Werden Sie den auch im Keller zerhacken? Den Zwerg?«
»Ich glaube nicht.«
»Sie glauben?«
»Na ja, ich betrachte die Aktion als einmalig, ich wollte ein Exempel statuieren, verstehen Sie?«
»Gewiss.«
Sie schwiegen.
Theodor sah aus dem Fenster.
Natalie kramte in ihrer Handtasche. »Hier.« Sie reichte ihm zwei Glückskekse. »Die sind für Sie.«
»Vielen Dank.« Theodor holte einen Keks aus der knisternden, goldenen Hülle, brach ihn in der Mitte durch und las: »Holz in den Wald zu tragen ist töricht.«
Fragend sah er auf. »Was soll denn das heißen?«
Natalie dachte nach. »Es könnte bedeuten, dass … man Dinge nicht dorthin bringen sollte, wo es sie schon vielfach gibt.«
»Hm«, machte er ratlos.
»Es ist dasselbe wie Eulen nach Athen tragen!«, rief sie und hätte sich im nächsten Augenblick am liebsten die Hand vor den Mund geschlagen, als sie Theodors Gesichtsausdruck sah.
»Wunderbar«, sagte er eisig. »Ich mache mich in meiner eigenen Praxis also zum Gespött der Klienten, die meine Ratschläge gar nicht brauchen. So wie Sie ja auch nicht. Alle kommen wunderbar alleine klar, während ich Wasser in die Spree schütte und Stöckchen in den Grunewald trage.«
»Nun dramatisieren Sie doch nicht gleich. Machen Sie lieber den zweiten Keks auf«, riet Natalie.
»Nein, vielen Dank.«
Das Notfall-Handy klingelte.
Theodor griff danach, ging eilig hinaus und schloss die Tür hinter sich.
»Puh«, machte Natalie. Das war ja nicht so optimal gelaufen. Sie hörte Theodor mit gedämpfter Stimme sprechen.
Er sollte unbedingt noch eine himmlische Botschaft empfangen, dachte sie, aber eine positive. Die nächste muss optimistischer Natur sein.
Mit schiefgelegtem Kopf starrte Natalie auf den noch verpackten Keks, der neben Theodors Teller lag. Das Seelenheil eines Menschen stand auf dem Spiel, und sie, Natalie Schilling, würde jetzt einfach mal die Orakelfee spielen. Sie griff nach dem Keks, packte ihn so leise wie möglich aus, brach ihn entzwei und las: Ein Unglück kommt selten allein. Das hätte gerade noch gefehlt. Was für ein Segen, dass sie ihrer Intuition nachgegeben hatte. Und kein Zwerg hatte dazwischengeplärrt. Vor lauter Erleichterung legte sich ein zufriedenes Grinsen auf Natalies Lippen. Doch wohin jetzt mit der dämlichen Botschaft? Wohin mit dem Keks und seinem goldenen Einwickelpapier? Fieberhaft dachte sie nach …
Theodor hatte derweil sein Telefonat mit Heinz Schleyberger beendet. »Bin jetzt in einer Internet-Partnerschaftsbörse eingeschrieben und habe aufgrund des großen Interesses an meiner Person die Beziehung zu Sibülle abgebrochen«, hatte dieser Bericht erstattet und mit den Worten geendet: »Wer will denn in einen kalten Ofen blasen, Herr Doktor.«
»Niemand will das«, hatte Theodor gemurmelt und sich schnell verabschiedet. Dann war er ins Bad gegangen, um sich sein verschwitztes Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen. Ihm war schwindelig.
»Zu viel«, murmelte er. »Es ist einfach
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