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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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denen er sich eine Weile herumwälzte. Als er endlich wieder aufblickte, war Natalie verschwunden. Grunzend wischte er sich die Lachtränen aus den Augen.
    »Frau Schilling!«
    Das Bild hing wieder an der Wand.
    Theodor boxte sich auf den Oberarm. Der Schmerz brachte ihn zur Räson. »Frau Schilling?«
    Wie hatte er sich dermaßen gehen lassen können? Die arme Frau so auszulachen. Aber warum war sie bloß nackt gewesen? Sie wollte doch nicht … sie war doch nicht etwa …? Fast hätte er wieder losgelacht, aber eigentlich war es gar nicht lustig. Er hatte sich den Schlamassel seines Lebens eingebrockt. Da geisterte eine unbekleidete, sich selbst therapierende Ex-klientin verliebt durch seine Wohnung. So etwas kam doch eigentlich nur in amerikanischen Komödien vor. Was sollte er tun? Wenn er Natalie jetzt in seinen sieben Zimmern suchen ging, wäre das ausgesprochen verfänglich. Sie könnte es missverstehen, kichernd hinter einer Gardine stehen und … Theodor stöhnte. Oh mein Gott.
    Er mochte Natalie wirklich sehr gern. Aber eben auf seine Weise. Und nun hatte er sie verletzt. Mehr sogar, er hatte sie bis auf die Knochen gedemütigt. Theodor schüttelte ungläubig den Kopf. Wieso hatte er mal wieder nichts mitbekommen? Er, der promovierte Schlauberger, hatte das Einfühlungsvermögen eines Nilpferds.
    Leise fiel die Wohnungstür ins Schloss.
    Theodor horchte auf.
    »Frau Schilling?«
    ▶◀
    Während David und Natalie jeweils recht zeitnah die Flucht ergriffen hatten, hockte Rudolf zerknirscht auf dem Badewannenrand, Rosie traurig auf dem Klodeckel und Theodor betroffen auf seiner Bettkante.
    Hertha, die immer noch französische Vokabeln lernte, und der schlafende Feivel erfreuten sich hingegen bester Laune.
    Auch Tim fand das Leben heiter. Er lag mit einigen Freunden im Atelier herum. Man vertrieb sich die Zeit mit dem Gleitenlassen von Papierfliegern. Und dem Trinken von Bier. Und dann versuchte man die Papierflieger mit den leer gewordenen Bierbüchsen in der Luft abzuschießen, was ein großer Spaß war.
    »Ich habe ja nicht gelogen«, sagte Rudolf gerade zu seiner Tochter, denn er hatte den Eindruck, sich rechtfertigen zu müssen. »Ich habe lediglich einen Teil der Wahrheit ausgelassen.«
    »Das ist dasselbe«, erwiderte Rosie.
    »Meinst du?«
    Rosie nickte. Dann deutete sie auf die Sprühflasche, die Rudolf noch immer in der Hand hielt. »Könnten wir jetzt bitte mit dem großen, grässlichen Massensterben beginnen?«
    »Was? Ach so. Ja. Liebend gern.«
    Wenig später war das Mittel einmassiert, und Rudolf fuhr mit dem Nissenkamm immer wieder durch Rosies langes Haar, kämmte geduldig Strähne um Strähne aus.
    So verging der Rest des Nachmittags.
    »Fertig«, sagte Rudolf schließlich und holte zwei kleine Flaschen Limonade aus dem Kühlschrank. »Prost, Rosie.«
    Leider waren zwei Nissen haften geblieben, was dazu führte, dass die Prozedur nach drei Wochen wiederholt werden musste und es sowohl auf Rosies Kopf als auch auf den Köpfen ihrer Freundinnen Anne und Sophie ein erneutes Massensterben geben würde.
    »Scheißglückskekse«, murmelte Natalie, die bei sich zu Hause angekommen war und seit einer Dreiviertelstunde unter der Dusche stand. »Scheißmänner, Scheißsex!« Inzwischen hatte sie bereits drei Mal ihr Haar shampooniert und traktierte sich fluchend mit einem Luffa-Peeling-Schwamm.
    Doch das miese Gefühl ließ sich nicht abwaschen.
    Wie erniedrigend war das bloß gewesen: Sie hatte ihre Kleidungsstücke, die überall in Theodor Silberstadts edler Wohnung verteilt gewesen waren, zusammengeklaubt und sich im hinabfahrenden Fahrstuhl angezogen. Dann war sie aus dem Haus gestürzt, um niemals wiederzukommen.
    »Scheiß-Lietzensee-Ufer.«
    Doch das Schlimmste an der ganzen Geschichte war die Tatsache, dass Theodor sie nicht nur verschmäht hatte, er hatte sich bei ihrem Anblick vor Lachen gewunden. Er hatte gelacht wie Cruella de Vil auf Speed. Gar nicht schön. Seufzend scheuerte Natalie mit dem Schwamm über ihre Schienbeine. Was war bloß schon wieder schiefgegangen? Ach, sie wollte es gar nicht wissen.
    Ihre Therapie war beendet. Sie hatte keine Angst mehr im Dunkeln, und vor Zwergen auch nicht. Und sie würde Theodor nie wiedersehen. So einfach war das Ganze. »Aus die Maus«, murmelte Natalie gereizt und stieg aus der Dusche.
    Jetzt blieb ihr nur noch ihre Karriere.
    Sie würde sich endlich die fünf bescheuerten Bücher vornehmen und dazu mindestens eine Flasche Rotwein austrinken.

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