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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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Blusenkragen herum und richtete ihr Haar. »Ich schmeiß dir den Spinner raus. Unter einer Bedingung.«
    »Alles, was du willst.«
    »Du musst dich mit Theodor und mit Rudolf vertragen.«
    David machte ein Geräusch, das sich wie »Hups« anhörte. Dann kam die Kellnerin mit Kaffee und Kuchen. »Den Matsch-Kaffee bekommt der junge Mann«, sagte Hertha und deutete auf David. »Ist die Torte auch ganz frisch?«
    »Selbstverständlich.« Die Kellnerin verschwand wieder, und Hertha pikte mit der Kuchengabel in ihr Stück Schwarzwälder Kirschtorte. »Sieht gut aus.«
    »Was weißt du von Rudolf?«, fragte David.
    »Nichts. Ich weiß alles von Rosie. Ihr Vater hat es nur gut gemeint.«
    Davids Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Einstein hat es auch nur gut gemeint und die Atombombe erfunden.«
    »Ach!« Hertha machte ihre berühmte wedelnde Handbewegung. »Nimm dich nicht immer so wichtig, David.«
    »Aber ich bin wichtig!«, begehrte er auf.
    »Vielleicht ist das der Trugschluss deines Lebens?«, fragte Hertha mit vollem Mund.
    Stets so charmant , nehme ich zurück, dachte David. »Jeder Mensch ist wichtig«, beharrte er bockig. »Jeder Mensch hat seine Aufgabe im Leben. Jeder Mensch ist Teil eines riesigen Mosaiks, das …«
    »Ja, ja. Du bist nichts weiter als ein selbstbezogener Schwätzer.« Hertha sah ihn freundlich an. »Und du drehst dir alles zurecht, wie du es gerade brauchst. Koste mal, die Torte ist köstlich.«
    »Rudolf hat mich arglistig getäuscht.«
    »Du willst sagen, du hast dich arglistig täuschen lassen , mein Lieber. Rudolf ist nämlich zu Arglistigkeiten gar nicht in der Lage. Dieser Mann ist ein Lamm. Und findest du nicht auch, dass er ein bisschen aussieht wie Vincent van Gogh?«
    David verdrehte die Augen.
    »Wie auch immer.« Hertha machte ein Pokerface. »Du kennst meine Konditionen.«
    »Und wie soll ich an deinen heiligen Sohn herankommen? Der hat sich in seinen Schmollturm zurückgezogen.«
    »Überleg dir einfach was.«
    »Ach!«, rief David verärgert. »Du tust so, als wäre das Ganze eine Bagatelle.«
    Hertha zuckte mit den Schultern. »Darf ich deine Beleg-Kirsche haben?«
    ▶◀
    Natalie erwachte mit grässlichen Kopfschmerzen.
    »Täglich grüßt das Murmeltier«, stöhnte sie leise.
    Sei glücklich – wünsch es dir jetzt! hatte ihr hart zugesetzt, und sie hatte beim Überfliegen der Seite eine ganze Flasche Rotwein austrinken müssen. Auch Na, klar bin ich eine erfolgreiche Frau! war schwer zu ertragen gewesen. (Unterschätzen Sie die Wirkung eines Bleistiftrockes nicht. Lächeln Sie, wenn Sie am Telefon sprechen.)
    Um es mit einem weiteren mittelalterlichen Frauenschicksal aufzunehmen, hatte Natalie eine weitere Flasche Wein geöffnet und dann (irgendwann mitten in der dunklen Nacht) entschieden, dass sie Neunundneunzig Wege zu dir selbst und Mit Freude durch die Menopause nicht auch noch ertragen könnte. Sie würde einfach irgendwelche Gemeinplätze formulieren, die mehr oder weniger beliebig auf alle diese Bücher anwendbar waren: »Großer Lesespaß«, »überraschende Wendungen«, »hochinformativ«, »brillant recherchiert«.
    Natalie stieß auf, und etwas Saures geriet ihr in den Mund, das sie hastig wieder runterschluckte. Sie war zur Meisterin der Wortschablonen aufgestiegen, zur Spezialistin der peinlichen Auftritte. Sie war die Sonderbeauftragte für Holzwege, die Expertin für Irrungen und Wirrungen im Hier und Jetzt, die es sogar geschafft hatte, ihren eigenen Therapeuten ganz kirre zu machen. »Zum Kotzen«, flüsterte Natalie mit rauer Kehle. »Mein ganzes Leben ist zum Kotzen.«
    Es klingelte.
    Natalie runzelte die Stirn. Sie sah zum Fürchten aus und würde nicht öffnen. Bestimmt war es bloß wieder jemand, der die Briefkästen mit Werbung vollstopfen wollte. Obwohl sie einen kleinen Aufkleber mit der Bitte angebracht hatte, in ihren Kasten bitte keine Werbung einzuwerfen, schien sie immer besonders viel davon abzubekommen. Entweder waren die Zusteller allesamt niederträchtig, oder die Nachbarschaft wollte sie ärgern, oder … Jetzt klopfte es an ihrer Wohnungstür. Der Dackel von Frau Kasulke begann zu kläffen, und Natalie unterbrach ihre verdrossenen Gedankengänge. Ihr Herz schlug schneller, worüber sie sich wiederum ärgerte. Wo war ihr Problem? Jemand stand vor der Tür. Sie würde nicht öffnen. Fertig. So einfach war das.
    Es klingelte wieder, lang und anhaltend, und das hysterische Gebell von gegenüber überschlug sich. Dackel Poldi geiferte

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