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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Wekwerth
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durch den Briefschlitz.
    »Hallo?«, rief eine Männerstimme. »Fleurop!«
    Sofort riss Natalie die Tür auf und dachte sich im selben Augenblick, dass sie leichtgläubig, naiv und unvorsichtig war. Jeder dahergelaufene Axtmörder kannte doch den Trick mit den Blumen. Man brauchte einer Frau bloß zu sagen, dass man ihr Rosen oder eine Kleinigkeit von Cartier zu überbringen hätte, und schon öffneten sich Türen und Tore.
    »Bitte sehr.« Der Mann drückte Natalie einen enormen Blumenstrauß in die Hand und ging ohne ein weiteres Wort. Verdutzt blinzelte sie in die Cellophanfolie. Sie hatte noch nie Blumen geschickt bekommen. Ein sonderbares Gefühl durchströmte sie. Sie fühlte sich ein wenig wie … Marlene Dietrich.
    »Halt die Klappe, Poldi!«, sagte sie dem tobenden Dackel und knallte ihre Wohnungstür zu. Dann riss sie das kleine Kuvert auf, das an der Folie klebte. Wer war der edle Spender? Ein Verdacht keimte in ihr … und tatsächlich:
    Sehr geehrte Frau Schilling,
    es tut mir unsäglich leid, dass mein unhöfliches Verhalten Sie gestern dazu zwang, meine Wohnung so überstürzt zu verlassen. Ich bitte Sie in aller Form um Entschuldigung. Würden Sie mir eine Möglichkeit geben, mich zu erklären?
    Es liegt ein großes Missverständnis vor.
    Hochachtungsvoll, Ihr Theodor Silberstadt
    Die Lilien in Natalies Arm zitterten, die Köpfe der Callas nickten wie Dinosaurierköpfe, und der betörende Duft von weißem Blütenzauber stieg auf.
    Ein großes Missverständnis? Wie meinte er das? Konnte man sich aus Versehen totlachen?
    Natalie senkte ihr Gesicht über die Blumen und schloss kurz die Augen. Durch den intensiven Geruch der Lilien verschlimmerten sich ihre Kopfschmerzen schlagartig. Aber das berauschende Marlene-Dietrich-Gefühl hielt an und tröstete sie ein bisschen.
    ▶◀
    »Guten Tag, verzeihen Sie, dass ich Sie auf dem Notfall-Telefon anrufe, aber mein Fall ist überaus dringend, und ihr guter Ruf als herausragender Therapeut ist bis weit über die Landesgrenzen gedrungen«, sagte jemand, der sich anhörte wie Rudi Carrell.
    Geschmeichelt strich Theodor über die Glasplatte seines Schreibtisches. Er machte gerade Mittagspause und aß eine Banane. »Von wo rufen Sie denn an?«, fragte er, nachdem er hastig runtergeschluckt hatte.
    »Aus Delft.«
    Theodor legte die angebissene Banane auf den Teller zurück. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich hätte gern einen Termin.«
    »Moment.«
    »So schnell wie möglich.«
    Theodor blätterte im Kalender. »Übernächste Woche könnte ich Ihnen etwas anbieten …«
    »Es ist ein Notfall.«
    »Woher haben Sie überhaupt meine Notfallnummer?«
    »Ein guter Freund gab sie mir.«
    »Wer denn?«, fragte Theodor. Bitte nicht Schleyberger, betete er stumm.
    »Sein Name soll geheim bleiben.«
    »Und wie lautet Ihr Name?«
    »… Jan Vermeer.«
    »Also, wissen Sie …« Irgendwas ist doch hier faul, dachte Theodor und bemerkte verärgert, dass die Banane einen matschigen braunen Fleck hatte.
    »Ich flehe Sie an. Es geht um Leben und Tod!«, rief der aufgeregte Holländer. »Ich komme jetzt auf der Stelle!«
    »Ich denke, Sie sind in Delft?«
    »Äh. Nein, doch nicht.«
    »Doch nicht? Was soll das heißen?«
    »Ich stehe vor Ihrer Tür.«
    »Hören Sie, Herr Vermeer«, sagte Theodor kühl, »mir liegen solche Scherze nicht.«
    Es klopfte.
    Verdutzt sah Theodor auf und schaltete das Notfall-Handy aus. Er lauschte. Ihm war unheimlich zumute. Doch dann erhob er sich, straffte den Rücken, ging mit langen Schritten zur Tür und riss sie auf.
    Vor ihm stand David.
    »Bist du der holländische Spinner?«, fragte Theodor mit kalter Stimme.
    David grinste. »Hast du ein neues Aftershave?« Er schnupperte. »Nicht schlecht, es riecht ein bisschen nach Banane, aber gar nicht übel.«
    »Lass die Sprücheklopferei. Was willst du?«
    David räusperte sich und sprach wieder mit holländischem Akzent: »Mir ist etwas Unerhörtes widerfahren, Herr Doktor Silberstadt, und ich brauche psychologischen Rat. Darf ich bitte eintreten?«
    »Ach, du willst Spielchen spielen?«
    »Es tut mir leid festzustellen, dass Sie immer noch nicht in der Lage sind, Privates und Berufliches auseinanderzuhalten.«
    »David, das ist wirklich der Gipfel an Unverschämtheit!«
    »Sehr, sehr bedauerlich, Herr Doktor.« David verbeugte sich leicht. »Ich soll übrigens Grüße ausrichten, von Ihrer Frau Mutter.«
    »Hach!«, machte Theodor genervt. »Hör schon auf mit dem geschwollenen Gerede und komm rein.

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