Ein Hummer macht noch keinen Sommer
und drehte die Bambusstange herum, woraufhin wieder ein regenartiges Geräusch erklang. »Like my rain stick?«
Der asiatische Junge kicherte mit geschlossenen Augen.
»Out!«, schrie David, doch sein strenges Wort ging in weiterem Regenrauschen unter.
»Who’s the old man?«, fragte der Asiat, der ein schmales Auge geöffnet hatte.
»Hey, Moment mal, ich bin überhaupt nicht …«, donnerte David. Der Rest des Satzes verhallte ungehört in Geprassel und Gekicher.
»Out! Out! Out!«, brüllte David und stampfte dazu dreimal mit dem Fuß auf, was (er merkte es selbst) wenig überzeugend wirkte.
Seufzend legte Tim seinen Regenstab beiseite, zündete sich eine Zigarette an und versuchte gleichzeitig, mit dem großen Zeh den CD -Player einzuschalten.
David eilte hinaus. Was konnte er tun? Die Polizei rufen? Er würde sich ja vollkommen lächerlich machen und womöglich strafbar, denn die Pflänzlein auf der Fensterbank, die Tim immer so liebevoll wässerte, sahen verdächtig nach Marihuana aus.
Heftig atmend lehnte David sich gegen die Wand.
Nebenan ging etwas zu Bruch, wahrscheinlich der CD -Player. David war klar, dass er Tim-Luzifer und den schläfrigen Chinesen jetzt sofort und eigenhändig rausschmeißen musste, aber in Wahrheit lag ihm Gewalttätigkeit wohl doch nicht so sehr. Seine Hände waren die eines Künstlers. Er wollte Blumen und Pinsel darin halten, edle Füllfederhalter und Kaviarlöffel aus Perlmutt. Er war nicht geschaffen für die Niedrigkeiten dieser Welt.
Trotzdem musste er etwas unternehmen, sonst würde sein Atelier bald von Drogen konsumierenden, Brandflecken hinterlassenden, Cheeseburger essenden Typen völlig vereinnahmt sein. Und das nächste Lagerfeuer würde wahrscheinlich das gesamte Mietshaus mit abbrennen, womöglich den halben Koppenplatz.
David stöhnte. Er fühlte sich so hilflos. So ausgenutzt.
Er wollte wieder weinen. Doch dann hatte er eine Idee.
▶◀
»Ist ja unerhört«, sagte Hertha.
»Ja.«
»Und der geht einfach nicht?«
»Nein.«
»Dann setz ihn an die Luft.«
»Das …« David rieb seine Künstlerhände aneinander. »… schaff ich irgendwie nicht.«
Hertha schaute ihn streng über ihre Brillengläser hinweg an. »Hast du was mit dem?«
»Nein, nein!« Nicht mehr , dachte er. »Doch nicht mit dieser Amöbe.«
»Und was soll ich tun?«, fragte Hertha und sah sich suchend um. »Wo ist denn die Bedienung?«
David wand sich. »Könntest du ihn für mich rausschmeißen?«
»Aber David, ich kenne den Jungen doch gar nicht.«
»Umso besser.«
»Und wenn er Ärger macht?«
»Der ist viel zu dumm.«
»Ah, da ist sie ja!« Hertha winkte. »Hallo? Würden Sie bitte unsere Bestellung aufnehmen? Die tut so, als ob sie mich nicht hört!« Fragend sah Hertha wieder zu David. »Wieso soll ausgerechnet ich ihn rausschmeißen?«
»Du hast so eine gewisse Art, Herthalein.«
»Was für eine Art?«
»Die Herrschaften möchten bestellen?«, fragte die herbeigeeilte Kellnerin.
»Ja«, erwiderte Hertha trocken. »Die Herrschaften möchten seit geraumer Zeit bestellen. Zweimal Schwarzwälder Kirsch, ein Kännchen Kaffee und einen Milch-Matsch … Mm … Wie heißt das, David?«
»Latte macchiato.«
»Sag ich doch. Und ab jetzt bitte ein bisschen flotter, Frollein. Wir sind schließlich keine Touristen.« Hertha ließ die Kuchenkarte zuknallen und wandte sich übergangslos an David. »Was für eine Art?«
Sag jetzt nicht furchteinflößend , schoss es durch sein Gehirn. »So willensstark. Und unbeirrt. Und mutig. Und dabei stets so charmant. Ganz Frau von Welt eben.«
Hertha lächelte. »Schmeichler.«
»Ist aber so, Hertha. Da könnte ich mir eine Scheibe abschneiden.«
»Von der Frau von Welt?« Hertha kicherte.
»Warum nicht?«
»Aber du sagtest doch, er wäre Amerikaner«, bemerkte Hertha, die wieder ernst geworden war.
»Ja und?«
Sie reckte das Kinn. »Ich spreche nur Französisch.«
»Du brauchst mit dem gar nicht zu sprechen. Der versteht sowieso nichts.«
Hertha bedachte David mit einem festen Blick. »Ich mache es, aber nur …«
»Oh Herthalein!« David sprang auf, kam um den Tisch herumgelaufen und drückte Hertha an seine Brust, in der sein Herz vor lauter Erleichterung wild pochte.
»Du sollst mich nicht immer hochheben!«, erklang Herthas Stimme dumpf. »Schon gar nicht in der Öffentlichkeit.«
»Pardon.« Er küsste sie auf den Scheitel, dann setzte er sie sanft über ihrem Stuhl wieder ab.
»Also …« Hertha zupfte an ihrem
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