Ein Hund mit Charakter
für sich einnimmt. Zwar ist er nicht absolut sicher, daß dieser Puli ein Musterexemplar unter allen denkbaren Puli-Kreuzungen ist, Statur kann er vorläufig noch nicht an ihm entdecken, auch vermeint er sich zu erinnern, daß ein Puli-Kopf nicht so länglich sein sollte; doch der Hauch von Wärme, der beim Anfassen des Fellbündels seine Hand berührt hat, wiegt schwerer als die Werbesprüche des Anbieters. Eine solche Wärme hat er schon lange nicht gespürt: weder beim Händedruck noch bei anderer körperlicher Berührung.
Plötzlich schlägt eisiger Wind durch die halboffen stehende Tür herein. Der Lichtschein und der Geruch von Menschen reizen die Hunde und regen sie zu wütendem Gebell an. Wie ein dichter Schleier fällt der Schnee herab. Das Verkaufsobjekt verharrt auf der Schwelle, streckt die Zunge heraus und fängt an, sich die Schneeflocken von der rosa Nase zu lecken. Dann strafft es den Rücken, richtet sich zu voller Größe auf, das Bündel wächst und wird zu einem richtigen Tier, erst jetzt erkennt man, daß es tatsächlich vier Beine, einen vielverheißenden Schwanz und wirklich einen gedrungenen Körperbau besitzt – in diesem Moment sieht es in der Tat wie ein Hund aus. Und es beginnt so durchdringend zu bellen, daß man sich fragt, wo in diesem winzigen Körper eine solche Schreckensstimme Platz findet. Der kleine Hund kläfft, antwortet der Meute, als wollte er Meldung machen, daß er einen Käufer gefunden hat, oder vielleicht auch nur, daß er geboren wurde, auf der Welt und schon vier Wochen alt ist, bereits Reize wahrnimmt, daß er den Schnee, die Dunkelheit und die ganze Welt aufregend findet. Dies alles findet auch der Herr aufregend. Das Handelsobjekt bellt vergnügt ins Schneegestöber hinaus; mit väterlicher Schamhaftigkeit senkt der Wärter den Blick, sagt wohlwollend und nicht ohne Genugtuung: »Das wird ein guter Hund. Man braucht nur diese Stimme zu hören.«
Sollte es wirklich so einfach sein, einen Hund zu kaufen? fragt sich der Herr. Er zählt die Geldscheine hin und steckt den Hund in die Tasche. Ohne aufzumucken läßt sich der in der tiefen Wintermanteltasche versenken. Er braucht wirklich nicht mehr Platz als ein paar dicke Handschuhe. Eine Handvoll Ratschläge für die Erziehung des Hundes fallen noch ab, dann hängt sich der Wärter den Schafspelz um und begleitet den Herrn, vorbei am Chor der in ein Trauergeheul ausbrechenden Hundemeute, die er, wie Orpheus die Bestien, mit melodischem Pfeifen zu beruhigen sucht.
Das alles vollbringt er in unziemlicher Eile und mit verdächtiger Beflissenheit, aber das wird dem Käufer erst im nachhinein bewußt, nach ein paar Monaten, als es längst zu spät ist. Aber so geht es immer im Leben des Käufers, alles wird auf diese Weise abgewickelt und erledigt, in unüberlegter Hast, nicht nur der Hundekauf.
Es müßte ihm doch auffallen, daß der Wärter nicht mit ihm ins Büro gegangen ist und daß man für den Hund keinen Adelsbrief mit Stammbaum ausgestellt hat … Beide haben es instinktiv, aber auch verdächtig eilig.
Um den Direktionstrakt macht der Wärter einen Bogen und lenkt den Herrn, das Verkaufsobjekt überschwenglich lobend, in Richtung Zooausgang. Auch der Herr hat ein Gefühl, als wäre er auf nicht ganz legitime Weise Besitzer eines Lebewesens geworden, denn er hat ja nur Geld dafür gegeben.
»Sie werden sehen, der wird ein prächtiger Kerl«, sagt der Wärter gedämpft, als sie schon außerhalb der Umzäunung sind, und schlägt hastig hinter dem Käufer die Tür des Taxis zu.
Durch die beschlagene Scheibe sieht der Herr ihn noch einen Moment in seinem verschneiten Schafspelz am Straßenrand stehen, einem Hirten gleich, der in Bethlehem Dringendes zu erledigen hat. Die Dunkelheit verschluckt ihn schon fast, als dem Herrn noch eine wichtige Frage durch den Kopf schießt. Mit beiden Händen klopft er an die Innenscheibe, das Taxi bleibt mit einem Ruck stehen, ungestüm macht der Herr die Tür auf und brüllt der durch den Schnee stapfenden Gestalt nach: »Hallo, Sie … wie heißt er denn?«
»Tschutora …!« brüllt der Mann zurück. Und das hört sich an wie Gelächter.
»Sonderbarer Name für einen Hund, wenn ich richtig verstanden habe«, sinnt der Herr während der Fahrt.
Das Fest
»Und was nun?« – Während das Taxi auf die Lichter der Innenstadt zuschlittert, melden sich beim Herrn berechtigte Zweifel, die solchen überhasteten und unwiderruflichen Aktionen auf dem Fuße folgen. Wie mag die Dame es
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