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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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aufnehmen? Sie wird sich freuen, macht er sich selbst Mut, dem Hund ein Halsband umlegen und ihn zu einem Spaziergang ausführen. Doch wie wird Theres reagieren? Der sowieso nicht ganz unproblematische Vertrag, der das Mädchen mit der Familie verbindet, betrifft nur den Dienst am Menschen. Was mag Theres zu diesem herumwuselnden Mop sagen, der zwar als Geschenk niedlich sein mag – er hat Augen, die glänzen, Ohren, die hängen und flattern, ein prächtiges Schwänzchen, und man muß dieses Spielzeug nicht einmal aufziehen, weil das ganze Gebilde von einem Zweitaktmotor angetrieben wird –, doch abgesehen davon besitzt er auch Magen und Därme, die in Funktion sind, und er ist gerade mal vier Wochen alt? …
    Ja, was wird Theres sagen, die vom Leben in der Stadt so völlig verbürgerlicht wurde: Wenn man sie zum Zigarettenholen um die Ecke schickt, setzt sie sich erst mal einen Hut auf, sie geht bevorzugt ins Nationaltheater und stellt am Abend »Radio Japan« ein – ja, wie wird sie reagieren, wenn man ihr zu dem gehobenen städtischen Tätigkeitsfeld jetzt zusätzlich Stallarbeit aufbürdet? Es ist ja gerade erst vier Wochen her, daß dieses neue Spielzeug die geheimnisvolle und diffizile Werkstatt, in der solche Gelegenheits-Geschenkartikel produziert werden, verlassen hat; aus reicher Erfahrung folgert der Herr, daß die Wohnung in den kommenden vier Monaten wie ein Stall aussehen wird, doch daran ist nun nichts mehr zu ändern. Die raffiniertesten Erziehungstheorien erweisen sich in den ersten fünf Monaten als untauglich, auch bei einem so reinrassigen Puli, um den es sich bei diesem Exemplar, das er in seiner Manteltasche birgt, ja unverkennbar handelt.
    Auf peinlichste Überraschungen gefaßt, greift er mit der entblößten Hand in seine Tasche. So warm, als stände darin ein japanisches Taschenöfchen unter Feuer, berührt es seine Finger, das Mantelfutter fühlt sich trocken an, und das Tierchen ist auffallend friedlich. Er holt es heraus und legt es sich aufs Knie; die dunkelblauen Augen strahlen auch in der Dämmerung, eine kalte, feuchte Hundeschnauze schnuppert an seiner Hand, das Wesen bellt nicht, sieht sich vielmehr interessiert um, benimmt sich korrekt und beruhigend. Erleichtert seufzt der Herr und denkt hoffnungsfroh, daß es vielleicht doch Wunder gibt. Möglicherweise sind manche Hunde bereits mit vier Wochen von Natur aus stubenrein.
    Doch solche Wunder gibt es nicht, die Natur hält sich an ihr Schema und weicht nicht davon ab. Bereits in dem Geschäft für Galanteriewaren, in das sich Herr und Hund begeben, um eine Hundeleine und ein Halsband zu erstehen, wird solcher Wunderglaube erstmals – wenn auch geringfügig – widerlegt. Doch kann dem winzigen Lebewesen deswegen wirklich niemand böse sein, da er einem richtigen Hund noch nicht ähnlicher ist als, sagen wir, die erste Miniaturskizze dem vollendeten Kunstwerk; amüsiert und zärtlich wie eine Säuglingsschwester nimmt die Verkäuferin die Bescherung zur Kenntnis, Verständnis und Sympathie umgeben die kleine Kreatur, die nun ihre ersten Schritte in die Zivilisation wagt. Diese ersten Schritte werden auf der Theke des eleganten Geschäftes getan; da spaziert sie unvoreingenommen auf und ab, schnuppert und geht den streichelnden Berührungen gelassen aus dem Weg. »Noch etwas scheu, der Kleine«, stellt der abgewiesene Geschäftsinhaber indigniert fest. Als dann der Herr zur Kasse geht, um die Leine zu bezahlen, hat das Hündchen für alle eine Überraschung parat: Mit lautem Gebell rennt es dem Herrn hinterher, man muß es am Rand der Ladentheke auffangen, denn ohne Zögern wäre es in die Tiefe gestürzt, hätte sein Herr es nicht schnell in die Manteltasche gesteckt.
    Von solcherlei Dingen läßt man sich stets beeinflussen, denkt der frischgebackene Hundebesitzer später im Taxi, und auch, als er in der Redaktion angekommen ist, wo er samt Hund noch schnell vorbeischauen muß, bevor er sich nach Hause begibt. In dem lieblos und spartanisch mit ein paar Möbeln ausgestatteten Zimmer, in dem zwar Berge alter Zeitungen auf einem Tisch herumliegen, darüber hinaus jedoch nichts an die vorgeblich geistige Tätigkeit erinnert, der der Herr an diesem Platz nachzugehen pflegt, hier also darf das Hündchen herumlaufen, und erstmals sieht er es bei heller elektrischer Beleuchtung. Verblüffend, einfach entwaffnend, sinnt er weiter, daß es mich schon nach so kurzem Beisammensein angenommen hat und hinter mir her wollte. »Komm,

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