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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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zum Kronleuchter, der glitzert und funkelt wie die gleißende Mittagssonne, in die Unendlichkeit des Plafonds. Er strafft sich, ruckt einmal kräftig mit seinem kleinen, gedrungenen Körper an der Leine, blafft ein-, zweimal, und einen Augenblick lang scheint es, als wolle er den Tisch mit sich fortziehen – vielleicht kam ihm eine der Taten des mythischen Herkules in den Sinn, und er glaubt, alles sei nur Spiel und Jux. Er versteht nicht, wagt es nicht zu glauben, zweifelt noch. Sein Fell sträubt sich vor Schrecken, den ganzen kleinen Körper erfaßt ein nervöses Zittern. Jetzt stürzt die Welt in ihm zusammen, denkt der Herr interessiert: Mein Gott, einmal muß ja auch das sein. Alle haben wir es ausgehalten … Die Kreatur zittert, wimmert um Hilfe flehend, sie kann nichts dafür, ist ja auch nur geboren und möchte leben, inmitten der riesigen Möbel, der unendlichen Teppichlandschaften und unter dem zwölfarmigen Sonnensystem. Leben, so gut es eben geht, und vor allem natürlich frei. Zu schön wäre das! – denkt der Herr, der die sich zunehmend verengenden Bewegungen der Kreatur mit kaum verhohlener Erregung verfolgt. Als werfe er einen Blick in die Werkstatt, wo der Rohstoff des Lebens künstlich gebrochen und in Form gegossen wird, so starrt er staunend auf dieses jungfräuliche Leben, auf etwas wartend, ohne zu wissen, worauf? … Vielleicht wenn einmal einer mit aller Konsequenz sagen würde: nein! …, denkt er erregt und hoffnungsvoll. Vielleicht würde dann die Leine reißen. Irgendwo muß einmal ein Anfang gemacht werden …
    Plötzlich hält der Hund im nervösen Herumtrippeln und Wimmern inne. Jetzt hat er begriffen. Er erstarrt vor Entsetzen, und dann sagt er: Nein! … ein Nein mit aller Konsequenz, genauso, wie man es erwarten mußte. Es bricht mit so entsetzlicher Wut und Verzweiflung aus ihm hervor, wie es nur aus jemandem hervorbrechen kann, der im Recht ist. Er hat das An-der-Leine-Sein verstanden, begriffen fürs Leben. Nein, das nicht! … kommt der Schrei. Nicht nur aus dem Rachen; aus seinem aufgeplusterten Babybauch, aus dem ganzen revoltierenden, vor Entsetzen explodierenden kleinen Wesen brüllt es: Nein! … und nochmals nein! Das kann doch nicht sein! Warum auch? Dann wäre ja alles aus, der Sinn des Daseins, kein Ziel mehr, für das es sich zu leben lohnte, da wäre keine Würde mehr und keine moralische Gerechtigkeit und auch kein wahres Gesetz, weder dort oben in den Sternen noch hier unten in der endlichen Welt zwischen Schlaf- und Herrenzimmer! Jetzt hat er begriffen und kann es nicht ertragen. Er wimmert und bittet nicht mehr und ist auch nicht ratlos verwundert. Es gibt kein Gesetz und keine Gerechtigkeit, nur die Leine, die Leine bis ins siebte Glied. So viel hat er verstanden … Zuerst wirft er sich meterhoch in die Luft. Nicht einmal, zehnmal, zwanzigmal, bis er zusammenbricht. Als ob er in einer Explosion geborsten wäre, schnellt der kleine Körper in die Höhe, bis ihn die Leine zurückreißt. Das ist kein Hundegeheul mehr, das sind keine tierischen Laute: Dieses Heulen, die Angstschreie lassen sich keiner Rasse mehr zuordnen, das bricht aus der Tiefe hervor, das Wehgeschrei kommt vom untersten Grund des verwundeten Selbstbewußtseins, so kann nur ein Lebewesen heulen, dem bewußt geworden ist, daß man es verraten, daß man es hier auf Erden seinem Schicksal überlassen hat. Er schnellt hoch und wirft sich mit aller Kraft zu Boden, zehnmal, zwanzigmal, Schaum tritt aus seinem Maul, und er heult und heult! Wie vertraut ihm diese Laute doch sind – denkt der Herr ergriffen. Als hätte er sie vor langer, schrecklich langer Zeit schon einmal vernommen, erlebt. Das ist natürlich eine Täuschung. Aber sie alle sind einen Schritt zurückgewichen, bleich, konsterniert von diesem Veitstanz – ja, als wären sie Zeugen einer Detonation geworden, als ob ein Atom der Ursubstanz vor ihren Augen explodierte, jungfräuliches Leben, an dem sich ein Unbefugter mit schmutzigen Händen zu schaffen gemacht hat. Eigentlich geht es ja um nichts weiter, als daß ein Hund sich nur schwer an die Leine gewöhnen kann – definiert der Herr eilends das Geschehen für den täglichen Gebrauch. Doch wie er das sich windende, keuchende Tier betrachtet, das sich wälzt und in der Leine verfängt, heiser röchelt, mit Schaum vor dem Mäulchen, empört ihn die Ohnmacht der Worte. Um nichts weiter! denkt er mißgelaunt. Es geht immer nur um nichts weiter. Ein Janosch ist gehenkt worden, nichts

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