Ein Hund namens Gracie
Er sah sie durch die Pfähle und den Draht hindurch an und probierte es mit seiner besten Anmache: »Arf!«
Mit 30 Zentimetern war Byron voll ausgewachsen. Er hatte kurzes Fell, schwarz mit Ausnahme seiner weißen Vorderbeine, einer weißen Schnauze und einem langen weißen Streifen, der sich von seiner Nasenspitze zur Mitte seiner in Falten liegenden Stirn zog und ihm den Ausdruck immer währender Neugier verlieh, der mich an Gracie erinnerte. Eine sehr kleine Gracie.
Bei den Falten (und der Klassifikation »Hund«) endeten die Ähnlichkeiten aber auch schon, denn Byrons dicker Rumpf wippte auf spindeldürren Beinen (ich hoffe, er liest dies nicht) und seine winzige Schnauze war zusammengedetscht wie bei einem Boxer oder Mops. Wenn er im Garten schlief, schnarchte er wie der Weihnachtsmann am 25. Dezember, war er wach, konnte er sogar ein Warzenschwein überschnarchen.
Zwischen ihnen war es Faszination auf den ersten Blick, sie beschnupperten sich und rannten am Maschendrahtzaun entlang, weil sie zueinander kommen wollten. Damit waren sie vielleicht eine Woche beschäftigt. Zu dem Zeitpunkt begann Dottie, Gracies Abwesenheit aufzufallen. Mindestens einmal sah ich sie ein Grasbüschel in Gracies Nähe angreifen, nur um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es kam mir so vor, als habe Dottie sich an Gracies Begleitmusik gewöhnt, und jetzt sang Gracie ihr eigenes Lied.
Eines Tages stand ich im Garten und sah Gracie und Byron zu, da bekam ich Mrs. McGuire zum ersten Mal zu Gesicht. Sie öffnete die Tür und rief Byron zum Essen herein. Als sie den Garten absuchte und ihn am Zaun stehen sah, wie er Geheimnisse mit Gracie austauschte, trafen sich unsere Blicke. Ich winkte und lächelte ihr zu, aber sie zuckte zusammen und zog sich schnell ins Haus zurück wie eine Schildkröte, die ihren Kopf einzieht.
Ihre Erscheinung verblüffte mich. Sie war klein, kaum anderthalb Meter groß und dünn, wenn auch nicht ungesund aussehend. Was mich wirklich wunderte, war, wie gut sie beieinander war. Ich muss mir wohl vorgestellt haben, dass Menschen, die sich isolieren, nicht viel auf ihr Aussehen geben, aber sie sah aus, als sei sie gerade von einem Unterrichtstag im Jahr 1955 nach Hause zurückgekehrt: eine gebügelte weiße Bluse und ein grauer Rock, vernünftiges Schuhwerk, eine Lesebrille an einer silbernen Kette, und kilometerlanges graues Haar, das sorgfältig hochgesteckt war. Machte sie sich all die Mühe, nur um den ganzen Tag mit Byron rumzulungern? Hätte ich mich für Gracie mehr in Schale schmeißen sollen?
Ich konnte ihre Silhouette hinter der Fliegentür gerade noch erkennen. »Die beiden sind tolle Freunde«, rief ich und zeigte auf Byron und Gracie. Sie zog sich einen Schritt weiter zurück. Zu seinen Gunsten muss gesagt werden, dass Byron wie angewurzelt stehen blieb, um meine Worte zu unterstreichen. Ich wollte mir irgendwas ausdenken, was ich ihr sagen konnte, aber mir wurde klar, dass sie sich unwohl fühlte, wenn ich auch nur zu ihr hinübersah, und deswegen ging ich wieder ins Haus zurück. Ich sah zum Küchenfenster hinaus, und in dem Moment, in dem unsere Tür zuschlug, hielt der weißbebluste Arm die Tür auf und die Tremolostimme rief: »Byron! Abendessen ist fertig!«
Byron mag verliebt gewesen sein, aber er war nicht unhöflich, und nach dieser zweiten Aufforderung entschuldigte er sich bei Gracie und trottete ins Haus. Sein widerhallendes »Arf!« interpretierte ich als: Bin schon auf dem Weg, meine Gnädigste. Oder so was Ähnliches. Die Übersetzung aus der Hundesprache ist noch immer ungenügend erforscht.
Am nächsten Tag widmete Gracie sich ohne jede Vorwarnung einem neuen Hobby: der Archäologie.
»Könnte es nicht sein, dass sie einfach nur den Rasen umgräbt?« Mark stand an der Küchentür und beobachtete ihre Erdaushebungen.
»Sicher«, sagte ich. »Aber da es sich um Gracie handelt, könnten wir die Möglichkeit des Zweifels in Betracht ziehen.«
Ich hatte Recht, mehr zu vermuten als den guten alten Buddelinstinkt, brauchte aber ein paar Tage, um herauszufinden, was dahinter steckte. Da ich verhindern wollte, dass der Garten zur Ausgrabungsstätte wurde, stellte ich mich vor die »Laiengrabung« (im Archäologenslang ausgedrückt), deutete ins Loch hinein, ging ganz nah an Gracies Gesicht heran und brüllte ernst »NEIN!«, indem ich mit jedem Zentimeter meines Körpers Missfallen kundtat. Sie muss mich verstanden haben, denn sie sah aus wie ein Schaf und rannte weg, und ich sah
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