Ein Hund namens Gracie
noch die anderen beiden. Ihr königsblauer Taft war wie für eine Oskarverleihung geschaffen und er war so aufwendig verarbeitet, dass man vier einfachere Gewänder aus dem Stoff hätte machen können. Die Krönung des Ganzen war das Goldlamé, das sich wie ein Wasserfall vom Hut zum Kleidersaum ergoss. Wir waren uns einig, dass es keine besser angezogenen Hunde auf den Eröffnungen geben würde -oder sonst irgendwo auf der Welt.
Und glauben Sie ja nicht, unsere haarigen Modepüppchen hätte ihre Wirkung kalt gelassen. Inzwischen fügte sich Gracie klaglos der Prozedur, und Sarah und Dottie rannten nicht mehr davon. In den letzten Jahren wurden die Mädchen aus Gründen, die zu kennen ich nicht behaupten kann, immer merklich aufgeregt, wenn wir ein Kostüm hervorkramten - allen voran Gracie! Vielleicht gefiel ihr die zusätzliche Aufmerksamkeit, die ihr dann bezeugt wurde (nicht, dass sie sonst zu wenig bekam). Vielleicht verstand sie aber auch, dass man diese prunkvollen Klamotten zu besonderen Anlässen anzog, und wollte sich entsprechend verhalten. Als Brenda ihre Meisterstücke auspackte, wedelte Gracie so heftig wie seit Welpenzeiten nicht mehr. Es sah so aus, als würde sie von innen gekitzelt.
Brenda machte eine Anprobe mit jedem Mädchen, und perfektionierte die Garderobe mit ein paar Stichen hier und einem Zurechtzupfen dort, bevor sie die Stücke in ihre Schachtel für den morgigen großen Tag zurücklegte.
Und nun war der große Tag gekommen. Michael war bereits in der ersten Bäckerei, wo er bei den letzten Vorbereitungen half, als die Limousine vor unserer stinkvornehmen Absteige, dem Vagabond Motel, vorfuhr. Was kann ich sagen? Dort waren Hunde erlaubt, es war gut gelegen und es war richtig billig. Aus dem erstaunten Gesichtsausdruck des Motelangestellten schlossen wir, dass noch nie eine Stretch-Limousine auf dem Parkplatz des Vagabond vorgefahren war. Es war eine schimmernd weiße Yacht von einem Auto - ein Lincoln Continental auf Steroiden - mit verdunkelten Fenstern und Sitzen, die sich so weit gegenüberlagen, dass der Platz dazwischen für einen Banketttisch ausgereicht hätte. Mark und ich nahmen die Sitze hinter dem Fahrer ein, Sarah und Dottie machten es sich zu Marks Füßen bequem und Gracie lief majestätisch auf das hintere Sofa zu. Dort nahm sie ihre Lieblingsstellung ein: mit dem Rumpf und den Hinterbeinen auf dem Sitz, den Vorderbeinen auf dem Boden starrte sie aus ihrem Fenster, dem einzigen, das leicht geöffnet war. Auf Gracie hatte ein offenes Autofenster denselben therapeutischen Effekt wie eine Rückenmassage auf die meisten Menschen, trotzdem wandte sie uns bald ihre ganze Aufmerksamkeit zu. So kam es, dass alles, was man von der Straße aus sehen konnte, das noble Profil eines enorm großen Hundes war, der offensichtlich allein in einer Stretch-Limousine herumkutschiert wurde und zu der Gelegenheit einen schicken Jackie-Kennedy-Hut trug.
Erst war es uns gar nicht klar, aber so viele Leute lachten, pfiffen und riefen uns Kommentare zu, dass auch wir richtig lachen konnten. Natürlich starrte Gracie uns nur gelassen an, unerachtet des Aufruhrs, den sie verursachte.
»Sieh sie dir an«, sagte ich. »Ihr ist egal, was andere über sie sagen.« Ich war reichlich eingebildet, und wer wollte mir das verdenken?
»Du hast Recht«, sagte Mark. »Wenn es bestimmt auch nicht schadet, dass sie nichts von alldem hören kann.«
Und dennoch. Gracies Erscheinung und Geisteshaltung waren die eines Zen-Meisters.
Und das zeigte sich auch bei der Eröffnung. In einem Laden voller Berühmtheiten, unter ihnen auch Morris, die Katze, und Eddie aus Frazier, bekam Gracie viel mehr Streicheleinheiten als die anderen versammelten Tiere, Mark und mich nicht ausgenommen, aber sie wurde weder ungehalten, noch drehte sie auf.
Es gab nur eine Beeinträchtigung an dem ganzen Tag, und Gracie schaffte es, sie zu versüßen. San Diego steht in dem Ruf, eine der Städte Nordamerikas zu sein, in denen es sich am besten leben lässt. Dieser wunderbare Frühlingstag tat nichts, um diesen Ruf zu unterwandern. Alle hatten sich für den schönsten Mainachmittag der westlichen Hemisphäre angezogen. Deswegen waren wir überrascht, als eine Frau in unseren letzten Laden des Tages marschierte (wir hatten seit ein Uhr versucht, in jeder Filiale eine Stunde zu verbringen), die einen bodenlangen Nerzmantel trug und darunter etwas, was Reitkleidung sein konnte. Sie kam nicht in Begleitung eines Hundes, sondern
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