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Ein Hut voller Sterne

Ein Hut voller Sterne

Titel: Ein Hut voller Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Alles, was bedeckt werden konnte, war mit Rüschen bedeckt. Jemand hatte versucht, das Zimmer. komisch wirken zu lassen, als wäre es eine lustige Sache, ein Schlafzimmer zu sein. In Tiffanys Zimmer auf der Farm gab es einen alten Bettvorleger, einen Wasserkrug und ein Becken auf einem kleinen Tisch, einen großen Holzkasten für Kleidung, ein uraltes Puppenhaus und alte Kalikovorhänge, und das war es auch schon. Auf der Farm waren die Schlafzimmer dazu da, dass man die Augen darin schloss.
    In diesem Zimmer stand eine Kommode. Der Inhalt von Tiffanys
    Koffer passte leicht in eine Schublade.
    Das Bett blieb völlig geräuschlos, als sie sich darauf setzte. Die Matratze ihres Bettes auf der Heimatfarm war so alt, dass jede Feder anders klang. Wenn sie keine Ruhe fand, konnte sie verschiedene Teile ihres Körpers bewegen und auf den Federn Die Glocken von St. Ungulant spielen: kling twing glong, gling ping blonnng, dlink pläng djonnng, ding ploink.
    Dieses Zimmer roch auch anders. Es roch nach Gästezimmer und der Seife anderer Leute.
    Ganz unten im Koffer lag ein Kästchen, das Herr Block, der Zimmermann für sie angefertigt hatte. Von feiner Arbeit hielt er nicht viel — das Kästchen war recht schwer. Darin bewahrte Tiffany Andenken auf: ein Stück Kreide mit einem Fossil, das recht selten war; ihren persönlichen Butterstempel (der eine Hexe auf einem Besen zeigte), für den Fall, dass sie hier Butter machte; einen Stein, der Glück bringen sollte, weil er ein Loch hatte. (Das hatte man ihr gesagt, als sie sieben gewesen war, und seitdem bewahrte sie den Stein auf. Sie verstand nicht ganz, wie das Loch Glück bringen sollte, aber der Stein hatte viel Zeit in ihrer Tasche und dann in der Sicherheit des Kästchens verbracht, und deshalb war er vermutlich glücklicher dran als andere Steine, die herumgetreten wurden und es ertragen mussten, dass Kutschen über sie hinwegrollten.)
    Das Kästchen enthielt auch das blaugelbe Etikett eines alten Fröhlicher-Seemann-Tabakpäckchens, eine Bussardfeder und eine alte Pfeilspitze aus Feuerstein, sorgfältig in Schafwolle gewickelt. Davon gab es viel im Kreideland. Die Wir-sind-die-Größten benutzten sie als Speerspitzen.
    Tiffany legte die Gegenstände auf der Kommode nebeneinander, zusammen mit dem Tagebuch, aber dadurch wirkte das Zimmer auch nicht mehr wie zu Hause. Die Dinge sahen nur einsam aus.
    Tiffany nahm das Etikett und die Schafwolle und roch daran. Es war nicht ganz der Geruch der Schäferhütte, aber er kam ihm nahe genug, um Tiffanys Augen mit Tränen zu füllen.
    Sie hatte noch nie eine Nacht außerhalb des Kreidelands verbracht. Sie kannte das Wort »Heimweh« und fragte sich, ob es das kalte und dünne Gefühl war, das in ihr wuchs...
    Jemand klopfte an die Tür.
    »Ich bin's«, ertönte eine gedämpfte Stimme.
    Tiffany sprang vom Bett und öffnete die Tür. Frau Grad kam mit einem Tablett herein, darauf ein Napf mit Rindfleischbrühe und etwas Brot.
    »Stell das Tablett einfach vor die Tür, wenn du fertig bist«, sagte sie. »Ich bringe es später nach unten.«
    »Vielen Dank«, erwiderte Tiffany.
    Frau Grad blieb an der Tür stehen. »Es ist so schön, jemanden zu haben, mit dem ich sprechen kann, abgesehen von mir selbst«, sagte sie. »Ich hoffe sehr, dass du nicht wieder fort möchtest, Tiffany.«
    Tiffany schenkte ihr ein glückliches kleines Lächeln und wartete dann, bis die Tür geschlossen und Frau Grad die Treppe hinuntergegangen war. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zum Fenster und vergewisserte sich, dass kein Gitter davor war.
    Frau Grads Gesichtsausdruck hatte etwas Schauriges gehabt, eine Mischung aus Sehnsucht, Hoffnung, Flehen und Furcht.
    Tiffany stellte auch fest, dass sie die Tür von innen verriegeln konnte.
    Das Rindfleisch schmeckte tatsächlich wie Rindfleisch und nicht — um ein zufälliges Beispiel zu wählen — wie das Fleisch des letzten armen Mädchens, das hier gearbeitet hatte.
    Um eine Hexe zu sein, brauchte man eine sehr gute Vorstellungskraft. Derzeit wünschte sich Tiffany, dass ihre nicht ganz so gut gewesen wäre. Aber Frau Wetterwachs und Fräulein Tick hätten sie doch nicht hierher kommen lassen, wenn Gefahren damit verbunden wären. Oder?
    Vielleicht doch. Es war nicht völlig auszuschließen. Hexen hielten nichts davon, die Dinge zu einfach zu machen. Sie erwarteten, dass man den Verstand benutzte. Wenn man davon keinen Gebrauch machte, taugte man nichts als Hexe. Die Welt ist nicht einfach, würden sie sagen.

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