Ein Idiot kennt keinen Schmerz: Der Star aus Jackass
erzählen, was für ein toller Typ ich war. Innerhalb von ein oder zwei Tagen gab es vermutlich keinen einzigen Knastbruder in meinem Trakt, der nicht wusste, dass ich ein gesponserter Stuntman und Skateboarder war. Um an zusätzliche Desserts zu kommen, führte ich Überschläge vor. Und während die anderen Insassen Karten spielten oder fernsahen, verbrachte ich meine Zeit damit, meine Handstände zu perfektionieren. Und tatsächlich ist es mir genau in jenen Tagen, als ich eingesperrt war, endlich gelungen, den stabilen Handstand hinzukriegen, den Bryan mir beizubringen versucht hatte.
Für jeden normalen Menschen hätte dieser Aufenthalt im Gefängnis von Orange County einen Tiefpunkt seines Lebens bedeutet. Ich hatte keinen Job, kein Geld, keine Freundin, keine eigene Bude und in Bezug auf keinen dieser Punkte vielversprechende Aussichten. Ich hatte das College abgebrochen, hatte ein ernstes Alkoholproblem, meine Zähne waren, seit ich ein Jahr zuvor von jenem Balkon aus auf der Fresse gelandet war, noch immer verunstaltet und nicht zu vergessen: Ich saß im Gefängnis. Für die meisten Leute würde das wohl bedeuten: Tiefer geht ’ s nicht mehr. Doch komischerweise hatte ich im Gegenteil das Gefühl, kurz vor dem Sprung ganz nach oben zu stehen. Schließlich hielt ich mich ja für einen wahnsinnig tollen Kerl, der das Leben in vollen Zügen ausschöpfte, und war davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis der Rest der Welt merkte, wie cool ich war. Ich glaubte wirklich fest daran, auf dem Weg zu etwas Großem zu sein. Das Gefängnis war da eigentlich nur eine weitere Kerbe an meinem Colt. Jahre später, nach den Erfolgen von Jackass und Wildboyz , hatte ich all diese Merkmale des Erfolgs aufzuweisen – Geld, Mädchen, Beifall, große Karrierechancen –, doch ich war deprimiert und fühlte mich verloren. Es gibt einen Spruch, der besagt, dass erfolgreiche Menschen weniger glücklich seien als jene, die nichts haben: »Hast du nichts, musst du dich nur um deine nächste Mahlzeit kümmern, doch hast du Erfolg, machst du dir Sorgen darüber, dass die nächste die letzte sein könnte.« Ich weiß nicht, ob das irgendetwas mit dem Verlauf meines späteren Lebens zu tun hatte, aber in diesem Gefängnis in Orlando hatte ich im Hinblick auf meinen Lebensweg ein Gefühl, das ich auf meinem weiteren Weg verloren habe.
Nachdem ich ungefähr eine Woche abgesessen hatte, wurde ich aus dem Trakt, in dem ich mich befand, in eine turnhallengroße Mega-Zelle verlegt, in der etwa fünfzig Doppelstockbetten aufgereiht standen. An meinem letzten Abend, den ich darin verbrachte, bat ich um Papier und fing an, meine »Memoiren« zu schreiben, die, wie bereits erwähnt, mit dem Dilemma begannen, ob ich, da mein Ruhm ja rasant wachsen würde, weiterhin als Steve-O auftreten oder auf meinen Familiennamen zurückgreifen sollte. In jener Nacht schrieb ich wie im Rausch, schilderte all meine Abenteuer der vergangenen Jahre und reichte jede einzelne Seite zum Lesen an die Typen in den benachbarten Betten weiter. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass sie dieses Zeug lesen wollten oder dass es bald auch die ganze Welt täte.
Ich weiß noch, dass ich in jener Nacht schlaflos im Bett lag, nachdem die Lichter gelöscht worden waren, und über all meine Pläne nachdachte. Ich war so aufgeregt, weil ich rauskommen und die Welt erobern würde. Ich stand richtig unter Strom.
Auf der Fahrt mit dem Greyhound zurück nach Südflorida schrieb ich weiter an Teil 2 und Teil 3 meiner Memoiren. Als ich wieder zurück in meinem damaligen »Zuhause« war – ich hielt mich in Nicoles Wohnung auf und schlief zwischendurch in meinem Auto –, begann ich, jeden Cent, den ich ergattern konnte, in Kopien meines Werks zu investieren. Später druckte ich auch noch eine Umschlagseite mit dem Titel True Stories by Steve-O ( » Wahre Geschichten von Steve-O « ), auf der ein Foto prangte, das mich bei einem Riesenluftsprung von einer Skaterampe aus zeigte – die diesem Sprung folgende Landung unterschlug ich allerdings lieber. Ich versah die Kopien mit Spiralbindungen und verteilte die Exemplare an Leute, die ich beeindrucken wollte. Einige von ihnen fanden das Ganze interessant, aber die meisten dachten sicherlich, dass ich jetzt endgültig verrückt geworden sei.
Ich weiß nicht mehr, ob ich wirklich erwartet hatte, dass sich mir nach meinem Gefängnisaufenthalt sämtliche Türen dieser Welt öffnen würden, aber nachdem die
Weitere Kostenlose Bücher