Ein Iglu für zwei (German Edition)
Schlafzimmer liegt direkt neben Ihrem.“
„Danke“, sage ich nur und schaue sie fragend an.
Ist das irgendwie wichtig? Selbstverständlich wäre es mir lieber, sein Schlafzimmer wäre genau am anderen Ende des Hauses, aber weshalb sagt sie mir das?
„Mein Name ist übrigens Mary. Ich bin die Hausdame. Sollten Sie irgendwelche Wünsche haben, dann rufen Sie ruhig nach mir. Bis zwanzig Uhr ist immer jemand im Haus. Die morgendliche Schicht beginnt um neun. Nur zu Ihrer Information.“
Schön, dann bin ich ja jetzt über das Wesentliche aufgeklärt. Mehr muss ich eigentlich nicht wissen.
Ohne ein weiteres Wort verlässt Mary das Zimmer.
Na fein, dann werde ich mich jetzt mal häuslich einrichten. Mit einem Ruck hebe ich den Koffer aufs Bett und öffne ihn. Zwischen meiner Wäsche suche ich nach meinem Laptop und stelle ihn auf den Schreibtisch am Fenster mit dem herrlichen Ausblick ins Grüne. Hier werde ich sicher so manche Stunden verbringen. Ich stemme mich gegen den bulligen Schreibtisch, um ihn näher zum Fenster zu rücken.
So, das reicht. Jetzt habe ich alles im Blick.
Nachdem ich meine Kleidung im Kleiderschrank verstaut habe, begebe ich mich auf eine spontane Forschungsreise durchs Haus. Hier gibt es sicher eine Menge zu entdecken. Mal sehen, auf was ich so stoße. Leider komme ich nicht weit, da Mary mich unterwegs abfängt.
„Ach, Miss Bergstroem, ich habe Sie schon im ganzen Haus gesucht. Mr. Greyeyes rief gerade an und erkundigte sich, ob Sie schon eingetroffen seien. Er lässt Ihnen ausrichten, dass er leider erst spät zurück sein wird und Sie nicht auf ihn warten möchten.“
Ich kann nicht behaupten, dass mich das stören würde. Es gibt wirklich Schlimmeres. Zum Beispiel drei Monate in diesem entsetzlichen Haus leben zu müssen.
„Danke. Ich werde bestimmt nicht auf ihn warten.“
Als endlich nach zwanzig Uhr das gesamte Personal den Feierabend angetreten hat, begebe ich mich auf neugierige Wanderschaft. Ich robbe mich von Zimmer zu Zimmer und entdecke unterm Dach ein riesiges Atelier, das mit der Größe einer Turnhalle konkurrieren könnte. Es hängen einige Gitarren an den Wänden und ein aufgebautes Schlagzeug macht den Eindruck, als wäre es eben noch benutzt worden. In der Mitte des Raumes glänzt ein schwarzer Flügel so majestätisch wie die Titanic auf offener See. Es handelt sich offenbar um einen Übungsraum, in dem Danny mit seiner Band so manche seiner Stücke entwickeln wird.
Unplanmäßig lande ich während meines Streifzuges durchs Haus in Dannys Arbeitszimmer. Nicht, dass ich das vorgehabt hätte – ganz und gar nicht –, ich schnüffele nicht in den Angelegenheiten anderer Leute – normalerweise nicht –, aber meine innere Stimme stiftet mich zu diesem unrechten Verhalten an. Ich kann gar nichts dafür. Wie gesagt, die Stimme ...
Noch setze ich mich nur absichtslos an seinen Schreibtisch. Dann aber zieht meine Hand von ganz allein eine Schublade auf und wühlt ein wenig darin herum. Ich finde nur ein paar langweilige Zettelchen und nichts wirklich Reizvolles.
Meine Hand öffnet eine zweite Schublade. Ich erblicke einen zerknitterten Briefumschlag. Sofort taucht meine Nase tiefer in das Schubfach hinein. Der Brief landet wie von Geisterhand in meinen Fingern. Eine Weile starre ich unschlüssig darauf, bis ich mich doch zu einer kurzen, unverfänglichen Einsicht in das Schriftstück entscheide. Mit einem Rundblick prüfe ich, ob die Luft rein ist, bevor ich den Zettel aus dem Umschlag befreie. Das Papier ist so verschlissen, dass ich Angst habe, es könnte mir in den Fingern zerbröseln.
Konzentriert lese ich die Zeilen. Wenn mir das mal am Tage der Vertragsunterzeichnung gelungen wäre, dann säße ich jetzt nicht hier.
Der Verfasser schrieb mit blauer Tinte und ausgesprochen unleserlich. Die letzten Sätze des Briefes muss ich mir mehrmals durchlesen. Sie bedrücken mich. Unterschrieben wurde von einer Elisabeth. Erst am Ende begreife ich. Elisabeth war seine Freundin in der Schule. Kurz nach dem Tod seiner Eltern hat sie mit ihm Schluss gemacht. Wie unsensibel.
Geschwind falte ich das dünne Papier wieder zusammen und stecke es zurück in den Umschlag. Sorgsam lege ich ihn zurück an seine alte Stelle und schiebe das Schubfach wieder zu. Ich sollte mich schämen. Seit wann schnüffele ich in fremden Sachen herum?
Endlich erlange ich die Kontrolle über meine unbeherrschte Neugierde zurück. Schuldbewusst wechsle ich ins Wohnzimmer über und bemühe
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