Ein Iglu für zwei (German Edition)
Zeitung vor die Füße geworfen. Du hast mir vorgeworfen, ich wolle mir mit deiner Prominenz mehr Aufmerksamkeit für mein Buch erschleichen. Was auch immer ich über mich gesagt habe, hast du infrage gestellt. Sogar mein Alter. Mein Vater ist übrigens kein Schnitzkünstler in New York, sondern lebt mit meiner Mutter auf Grönland in einem Einhundert-Seelen-Dorf, in dem ich ziemlich einsam mit meinem Bruder aufgewachsen bin.
Und ich kann sehr wohl nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wegen seiner Hautfarbe diskriminiert zu werden. Ich habe es nämlich selbst erlebt. Du glaubst wohl, du wärst etwas Besonderes, nur weil du prominent bist, und du meinst sicher, du könntest dir einfach alles erlauben, indem du rücksichtslos die Gefühle anderer Menschen verletzt. Du kannst nicht plötzlich vier Wochen später in mein Leben platzen und all diese Geschehnisse übergehen und so tun, als wäre nichts gewesen. Falls du auch nur ein einziges meiner Bücher gelesen haben solltest, dann wüsstest du, dass ich niemals eine Biographie über einen anderen Menschen schreiben würde.“
So, jetzt habe ich mir mal richtig Luft gemacht. Das sollte ich viel öfter machen.
Dannys Stirngrübchenblick trifft mich. Muss das gerade jetzt sein? Das raubt mir sämtliche Entschlossenheit. Mit kleinen Schritten geht er auf mich zu und bleibt vor mir stehen.
„Ja, es stimmt. Ich bin ein Idiot“, stellt Danny fest. „Das weiß ich jetzt auch. Eigentlich wollte ich dir alles in Ruhe erklären, aber offenbar habe ich keine Zeit dafür. Es tut mir alles sehr leid. Das musst du mir glauben. Ich hab sie inzwischen alle gelesen. Deine Bücher sind großartig. Dein erstes Buch über dein Leben auf Grönland hat mich besonders fasziniert. Ich verstehe jetzt, wer du bist.“
So? Das weiß ich nicht mal selbst. Es könnte gewisse Vorteile mit sich bringen, jemanden zu kennen, der mich kennt.
„Du schreibst mit so viel Hingabe über das Leben anderer Völker. Es gelingt dir, alles so anschaulich zu erläutern und die Gefühle der Menschen in deinen Texten wiederzugeben. Du belebst ihre Kultur wieder und gibst ihnen ein Gesicht, das sie durch den Verlust ihrer Freiheit verloren haben. Ich möchte, dass du auch mein Gesicht wieder ins rechte Licht rückst. Was spricht dagegen, Malina? Du hast dich für die Recherche deiner Bücher unter andere Völker gemischt, um sie zu studieren. Jetzt bitte ich dich, für einige Zeit bei mir einzuziehen, um mich zu studieren.“
Durch das entsetzte Aufreißen nehmen meine Augen kurzweilig die Größe von zwei Eiern der Größe XL an.
Ich glaube eigentlich nicht, dass ich gerade was von „einziehen“ bei Danny gehört habe, aber es könnte nicht schaden, das mal genauer zu hinterfragen.
„Du willst, dass ich bei dir einziehe?“
„Aber ja. Wie willst du mich sonst näher kennenlernen? Es ist mir wichtig, dass du nicht nur schreibst, was ich dir von mir erzähle, sondern darüber, was du von mir siehst. Beurteile mich nach deinem Empfinden.
„Aber warum möchtest du das?“
„Weil es mir wichtig ist, dass die Leute da draußen den richtigen Danny Greyeyes kennenlernen und nicht seine Fassade oder das, was die Medien aus ihm gemacht haben. Ich bin davon überzeugt, dass du die Begabung besitzt, Menschen im richtigen Licht darzustellen.“
Mr. Smith stößt dazu und mischt sich in unser Gespräch ein.
„Miss Bergstroem, bitte kommen Sie doch einfach zurück ins Büro und schauen sich das Vertragswerk genauer an. Sie werden feststellen, dass Mr. Greyeyes dafür gesorgt hat, dass alles absolut fair und zu Ihren Gunsten formuliert wurde.“
Nun gut. Kann ja mal einen schnellen Blick drauf werfen. Gemeinsam gehen wir in das verlassene Büro, in dem der Kaffee seinen Duft entfaltet hat. Dabei kommt mir mein Hunger wieder in Erinnerung.
Mr. Smith reicht mir einen dreiseitigen Vertrag zu. Ich nehme ihn entgegen und kämpfe mit meinen Zweifeln. Ohne meinen Magen zuvor halbwegs gefüllt zu haben, gelingt es mir sicher nicht, ihn zu lesen. Meine Konzentration lässt durch meinen einsetzenden Hunger zu wünschen übrig. Angestrengt versuche ich, den ersten Absatz zu lesen.
Was mache ich, wenn mein Magen sich vor Verzweiflung selbst verdaut?
Meine Augen huschen über den zweiten Absatz hinweg.
Kann man auch ohne Magen leben?
Dritter Absatz.
Ich wüsste gerne, wie die Verdauung ohne Magen funktioniert.
Zweites Blatt, erster Absatz.
Oder hat man dann keinen Hunger mehr?
Zweites Blatt, zweiter
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