Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

sie
gemeinsam aussuchten. Das war wahres Talent.
    „Na ja, ich vermisse dich einfach.“
    „Ich dich doch auch, pass auf dich auf.“
     
    Mist, jetzt hatte Anna sie wieder an Klaus erinnert, das
hätte jetzt nicht sein müssen, obwohl sie sich ja definitiv von ihm
verabschiedet hatte, damals bei ihrem ersten Besuch in Heidelberg.
    Sie sah sich wieder in der Oktobersonne auf dem
Philosophenweg sitzen und Klaus Abschiedsbrief ein letztes Mal lesen.
    Wie oft hatte sie sich gewünscht, dass dieser blöde Kerl
endgültig aus ihren Gedanken verbannt wäre? Sie kramte in ihrer Tasche im
hintersten Fach nach einem abgegriffenen Brief, manche Buchstaben waren schon
verschmiert, aber sie kannte den Inhalt sowieso fast auswendig. Vielleicht
sollte sie ihn noch einmal lesen und dann vernichten, damit sie frei wäre,
endlich frei. Genau, sie würde ihn zerreißen und die Schnipsel in den Neckar streuen:
     
    Liebe
Emi,
    ich
hoffe, ich darf Dich auch weiterhin so nennen? Es fällt mir so unglaublich
schwer, diesen Brief zu schreiben, weil ich weiß, wie sehr er Dich verletzen
wird. Ich verletze Dich nicht gerne, denn ich mag Dich so, wie Du bist, und will
Dir keine Schmerzen zufügen. Aber nun geht es nicht mehr anders, denn ich will
mir auch selbst morgens noch im Spiegel in die Augen sehen können.
    Ich muss Dir
leider mitteilen, dass ich mich in eine andere Frau verliebt habe. Vielleicht
erinnerst Du Dich sogar an sie, wir haben sie kennengelernt, als wir bei Birger
auf der Gartenparty waren, die große Frau mit den wilden roten Locken. Emi stöhnte, wenn sie an ihre eigenen
spaghettiglatten Haare dachte. Sie heißt Kathy und ist als Au-pair für ein Jahr in Hamburg.
Wir haben uns jetzt mehrfach getroffen und sie hat sich auch in mich verliebt.
Wenn Du mein Apfelkuchen warst, dann ist sie meine Sahnetorte. Diesen Satz hätte er sich wirklich sparen können,
sollte ihm doch so richtig schlecht werden bei seiner täglichen Portion
Sahnetorte!
    Du sollst wissen,
ich habe Dich wirklich geliebt und unsere gemeinsamen drei Jahre von Anfang bis
Ende genossen. Du bist so ein guter Kumpel, man kann mit Dir wirklich durch
dick und dünn gehen. Erinnerst Du Dich noch, als wir zusammen mit dem Fahrrad
in der Elbe gelandet sind und uns kaputtgelacht haben? Andere Frauen hätten
vermutlich nur geflucht und sich um ihr verschmiertes Make-up gekümmert, das
war mit Dir alles anders. Es tut mir leid, wenn ich Dir Hoffnung gemacht habe, dass
wir eine gemeinsame Zukunft haben.
    Hoffnung ist gut, dachte sie erbost, sie hatten sogar schon
die Verlobung geplant!
    In dem Augenblick
habe ich das völlig ernst gemeint und konnte mir schon vorstellen, wie zwei
kleine Rabauken auf ihren kurzen Beinen zusammen mit uns am Strand spazieren
gehen. Na klar, dass er sich nur Söhne vorstellen konnte, wer sollte
ihn auch sonst zu den Fußballspielen des HSV begleiten?
    Ich hoffe, Du
verzeihst mir irgendwann. Spätestens dann, wenn Du ein noch besser passendes Gegenstück
als mich gefunden hast. Ich kann Dir nur sagen, mit Kathy, das ist wie der
Donnerschlag – und Naturgewalten sollte man sich nicht entgegenstellen.
    Ich drücke Dich
herzlich und wünsche Dir nur das Beste für Deine Zukunft
    Klaus
     
    PS: Ich
würde gerne meine Sachen am Samstag früh bei Dir abholen und Dir Deinen
Schlüssel bringen, ich hoffe, das ist ok für Dich?
    Und dann diese Unterschrift, die aussah wie „Laus“.
     
    Das mit Klaus lag jetzt zehn Monate zurück. Es hatte sie
derart aus der Bahn geworfen, dass sie zwischendrin sogar auf Anraten ihres Vaters, der selbst als
psychologischer Psychotherapeut arbeitete, bei einer Therapeutin war, um die
Trennung „zu bewältigen“. Emily hatte wirklich nichts geahnt, obwohl die Sache
mit Kathy schon einige Monate während ihrer Beziehung parallel gelaufen sein
musste. Das war für sie das Schlimmste an der Geschichte gewesen. Noch nie
hatte sie sich so gedemütigt gefühlt! Klaus war tatsächlich ihre erste große
Liebe und sie hätte ihn vermutlich geheiratet, wenn da nicht diese Sache mit
der ach so leidenschaftlichen Schottin Kathy passiert wäre. Sie hatte so viel
gegrübelt über der Frage, ob irgendetwas bei ihnen nicht gestimmt hatte, weil
er sich neu verliebt hatte. Mehrere Freundinnen hatten ihr einstimmig
versichert, dass das jederzeit und in den besten Beziehungen passieren könne.
Aber sie dachte immer noch, es habe an ihr gelegen. Sie war nicht attraktiv,
nicht weiblich genug, um einem Mann dauerhaft das Gefühl zu