Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
Tee trank und deren Aufgabe es ansonsten
war, gut auszusehen und eine interessante Gastgeberin zu sein. Tja, arme Anna.
Jetzt hatte Emily doch gar nicht richtig zugehört, als Anna Neuigkeiten von
ihrem letzten Lover erzählte. „Er ist so lieb, weißt du, irgendwie passen wir
zusammen wie Dick und Doof, aber das ist mir egal, er tut mir richtig gut“,
schwärmte sie gerade.
Emily fragte sich, wer wer war, da Anna weder dick noch doof war. Leider geriet sie aber immer wieder an
sonderbare Typen, die sie schwer wieder abservieren konnte, weil diese schnell
merkten, dass Anna etwas Besonderes war. Die bemühten Männer konnten ihr
aber einfach nicht das Wasser reichen, so dass sie ihr schnell langweilig
wurden.
„Zugegeben, er sieht nicht so richtig gut aus, aber er
riecht so gut und fühlt sich so knuddelig an wie der beste Teddybär und er kann
so schön erzählen, dass du ins Träumen gerätst“, vervollständigte sie ihren
Bericht.
Vielleicht könnte es ja dieses Mal etwas werden, dachte
Emily, sagte aber nur: „Anna, ich wünsch’ dir alles Glück der Welt, das weißt
du.“ Sie hatte es schon seit längerer Zeit aufgegeben, sich jedes Mal in Annas
emotionale Berg- und Talfahrten hineinziehen zu lassen, das war einfach zu
anstrengend neben ihrem aufreibenden Leben der letzten Zeit. Anna nahm ihr das
zum Glück auch nicht übel und freute sich, wenn sie einfach erzählen konnte,
ohne gleich einen guten Ratschlag zu erhalten. Deswegen rief sie eher bei Emily
an als bei Ruth, mit der sie ebenfalls befreundet war.
Emily sah die hochgewachsene Anna mit der Modelfigur und den
immer sorgfältig geglätteten rötlich braunen, glänzenden Haaren neben einem kurzbeinigen
fröhlichen Mann mit zurückwanderndem Haaransatz und Bürstenfrisur, der
selbstbewusst sein Genießerbäuchlein vor sich hertrug. Warum eigentlich nicht?
Muss man sich denn immer so ähnlich sein, als käme man aus der gleichen
Kollektion des universellen Designers?
„Und wie klappt’s mit deinem Mitbewohner, wie hieß er doch
gleich, Thorben?“
Emily gluckste. „Thorben wäre auch nicht schlecht, hätte
seinem Vater auch einfallen können. Nein nur Thorsten. Aber frag nicht, ich
kann nicht darüber reden, sonst rege ich mich nur auf. Wenn ich denke, dass
Fred nicht viel älter war, dann ist dieses Exemplar hier wirklich auf dem Stand
eines Mammuts, das immer noch meint, es müsste nur laut poltern, dann würden
seine Artgenossen von alleine Respekt vor ihm haben. Ich sag dir, es ist
unerträglich, er ist sogar betrunken durch meine Zimmertür gekracht, aber mehr
dazu vielleicht ein andermal, ich vermute, dass es hier ziemlich hellhörig ist.
Den Geräuschen nach, die aus seinem Zimmer dringen, ist es ziemlich schlimm. Ich
weiß nicht, wie viele Mammutweibchen er bereits bis Mitte der Woche durch sein
Lager geschleust hat.“
„Oh, arme Emily und du sitzt auf dem Trockenen.“
Verflixt, dass Anna aber auch immer so direkt sein musste.
„Ähm, ich habe immerhin schon einen ehemaligen
Theologiestudenten kennengelernt, aber ich glaube, er ist einer von der nur
netten Sorte, weißt du mit Ärmelschonern und so“, parierte sie möglichst
würdevoll. Eine ihr ganz unvertraute Scheu hielt sie zurück, etwas von ihrer
Begegnung mit dem schönen Azteken auf dem Bergfriedhof zu erzählen.
„Emily, Ärmelschoner sind gerade wieder en vogue sag ich dir
und nimm dir an Harry ein Beispiel, die besten Männer haben es nicht nötig, ihr
Aussehen aufzupolieren. Apropos aufpolieren, ich hab vorgestern Klaus
getroffen. Er sah gar nicht gut aus, wenn du’s wissen willst. Aber du hast
etwas Besseres verdient, jemanden, der dich zur Abwechslung so richtig umhaut,
dass du aus den Latschen kippst, und der es verdient, dass du ihn abgöttisch
anhimmelst.“
„Wie kommst du nur auf die Idee?“
„Ich weiß doch, in dir steckt eine abgrundtiefe
Romantikerin, du kannst es nur nicht so zugeben.“
Emily schwieg.
„Wann kommst du denn auf Heimaturlaub, damit wir mal wieder
so richtig schön shoppen gehen können?“, wechselte Anna daraufhin das Thema.
„Anna, ich muss mich doch erst mal hier einleben.“ Aber es
stimmte, hätte sie nicht die legendäre Anna als Einkaufsberate rin, sie würde vermutlich wie ein gerupftes
Hühnchen herumlaufen oder wahlweise wie ein Mauerblümchen, das jeder am
Straßenrand übersehen würde. Anna schaffte es immer wieder, dass sie richtig
gut aussah und sich selbst auch so leiden konnte in den Outfits, die
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