Ein Jahr in Andalusien
auch sehr unterhaltsam, gerade wenn der Patio mehreren Familien gehört, so wie bei
uns. Für Josefa ist er vor allem ein soziales Ereignis. Ich helfe ihr zusammen mit den Töchtern bei der Pflege. Aber wenn es ihr nicht so viel Spaß
machen würde, wäre ich nicht dabei.“
Die Frau macht Anstalten zu gehen, da ist plötzlich eine hohe, zittrige Stimme zu hören. „Das Leben ändert sich. Kaum jemand hat heute noch Zeit für
Blumen.“ Eine hagere Gestalt steht im Türrahmen, dem Alter nach zu urteilen Josefa. Wie lange sie schon dort steht, kann ich nicht sagen. Den letzten
Teil unseres Gesprächs hat sie in jedem Fall verfolgt. „Oder besser gesagt, keiner will sich die Zeit nehmen. Dabei gibt es nichts Schöneres, als mit
den Pflanzen zu leben!“ Josefa bittet uns an einen weiß lackierten Eisentisch, sie hat Lust mit uns zu reden. Auch die Schwiegertochter gesellt sich
dazu. Wir erfahren, dass Josefa beim Patio-Festival dabei ist, seit im Jahr 1933 eine Gruppe von Nachbarn zum ersten Mal dazu aufrief, die Innenhöfe um
die Wette zu schmücken. „Nur während des Bürgerkriegs fiel der Wettbewerb aus“, erzählt Josefa. „An dem Wettbewerb hat sich kaum etwas verändert,
selbst die Teilnehmer sind über die Jahre zum Großteil dieselben geblieben.“
Josefas Schwiegertochter erzählt, dass die Tradition der mediterranen Häuser, die um einen Innenhof angelegt sind, aus der Römerzeit stammt, wo jedes
Haus ein Atrium hatte. „Die aktuelle Form der Patios in Córdoba geht aber auf die Mauren zurück. Die drei Elemente Luft, Wasser und Vegetation
bestimmten den maurischen Wohnraum. Hier ist dasnoch heute so.“ Kaum hat sie das gesagt, holt sie tief Luft, als wolle sie beweisen,
wie groß der Erholungsfaktor ist. Wir tun es ihr gleich. Und tatsächlich sind alle Patios, die wir im Lauf des Tages besuchen, Oasen der Ruhe, wo Wasser
gurgelt, Blumen duften und ein angenehmes Lüftchen weht. Leider müssen wir aber noch am selben Abend zurückfahren. Nicole hat mich angerufen, ich müsse
dringend einen Termin für die Zeitung übernehmen.
Die Sonne verschwindet langsam im Meer und taucht das elegante Anwesen im Osten Marbellas in ein weiches Orange. Die Villa liegt auf
einer Anhöhe, davor erstreckt sich eine sanfte Hügellandschaft, in der sich mehrere nicht minder elegante Häuser verteilen. Und dahinter liegt das
Meer. Um einen türkis schimmernden Pool sind weiße Stühle angeordnet, ein mit rotem Tuch ausgelegter Laufsteg führt aus dem Inneren der Villa quer über
den Pool. Männer in eleganten Anzügen und Frauen in Abendkleidern treten auf die Terrasse, ein Kellner im Smoking serviert Häppchen und
Getränke. Untermalt wird die Szene von Latino-Jazz-Klängen. Ich befinde mich auf einem Charity-Event der ausländischen Gemeinde an der Costa del
Sol. Mit einem Galaabend soll Geld für einen Wohltätigkeitsverein gesammelt werden. Eine Modenschau und eine Tombola stehen auf dem
Unterhaltungsprogramm. Nicole hat mich am Nachmittag gebeten, einen Bericht über die Veranstaltung zu schreiben. Später soll ich dann noch zum
Geburtstag eines betagten Architekten rasen, weil dessen Foto ebenfalls unbedingt in die nächste Ausgabe muss. „Die Society-Reporterin ist krank
geworden und die Events müssen wir mitnehmen“, flehte sie mich an. Ihr Tonfall ließ mir keine Wahl. Aber auch wenn sie weniger gedrängt hätte, hätte
ich wahrscheinlich angebissen. Ich bin äußerst neugierig, wie ein solches Event abläuft.
Während ich noch fasziniert die schicke Szenerie beobachte, werde ich plötzlich auf eine junge Frau aufmerksam, die verlegen in die
Runde blickt und deren Kleidung darauf schließen lässt, dass sie für gewöhnlich auf dieser Art von Feier nicht zu Gast ist. Von der Organisatorin
erfahre ich, dass es sich um die Abgesandte der Behindertentagesstätte handelt, die mit dem Erlös der Gala unterstützt werden soll. Ich gehe auf sie
zu. Sie freut sich, mit jemandem zu reden. Bereitwillig erzählt sie mir, dass sie Psychologin ist und behinderte Kinder und Erwachsene betreut, die in
der Einrichtung die Tage verbringen. „Das ist keine leichte Aufgabe, weil der Staat nur sehr wenig Geld in seinem Haushaltsplan für soziale Zwecke
dieser Art vorsieht. Wir sind chronisch unterbesetzt“, erklärt sie.
Dann ruft die Organisatorin. Sie heizt den Gästen ein, Lose für die Tombola zu erwerben, die Psychologin muss danebenstehen und Auskunft über ihre
Arbeit geben. Inzwischen führen Laienmodels aller
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