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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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Machtwort spricht, ist
das Thema erledigt. Daran, dass die Mutter zu diesem Thema noch nicht das letzte Wort gesprochen hat, zweifele ich aber nicht. Tatsächlich drückt sie
mir zum Abschied ein Buch in die Hand. „Moderne Enzyklopädie der Frau“ steht auf dem roten Plastikumschlag. Als ich es aufschlage, blicken mir
Schwarz-Weiß-Fotos von Gerichten entgegen. Es ist ein Kochbuch. Verlegen bedanke ich mich für Essen und Buch.
    „Nimm es ihr nicht übel“, versucht Jaime mich zu beruhigen, als wir zu Hause sind. „Sie kann nicht aus ihrer Haut heraus. Schließlich ist sie fast
siebzig.“ Den Ärger, der sich auf der Vespafahrt angestaut hat, schlucke ich herunter. „Solange sie mich wegen meiner mangelnden Hausfrauenqualitäten
nicht als untaugliche Frau erklärt und es für dichin Ordnung ist, dass ich keine Küchenfee bin, kann ich mit den Anspielungen leben.
“ Jaime nimmt mich in den Arm und sagt mit breitem Grinsen: „Na ja, so jeden zweiten Tag könntest du schon was auf den Tisch zaubern.“ Gegen meinen
Willen verliere ich bei dem Thema jeglichen Humor. „Dann such dir doch eine spanische Hausfrau“, gifte ich ihn an. „Hey, das war doch nicht so gemeint
“, beschwichtigt er. „Ich habe eine Idee. Lass uns nach Córdoba fahren. Dort wird gerade das Patio-Festival gefeiert. Das gefällt dir bestimmt.“ Es
ist Freitag, und nach dem üppigen Essen bei den Eltern hat er beschlossen, heute nicht mehr ins Büro zurückzukehren. Augenblicklich hebt sich meine
Stimmung. „Jedes Jahr im Frühling schmücken die Bewohner der Altstadt von Córdoba traditionell die Innenhöfe um die Wette. In den ersten beiden
Maiwochen stehen dann die Tore zu den normalerweise hermetisch verschlossenen Höfen, den Patios, Besuchern offen. Es muss wunderschön sein, ich war
selber noch nie dort.“ Ich will mich sofort daranmachen, meinen Rucksack zu richten, da sagt Jaime: „Nach dem opulenten Mahl brauche ich aber erst
einmal eine Siesta.“ Er hat recht, ich geselle mich zu ihm aufs Sofa und es dauert nicht lange, da schlafen wir beide tief.

    Als wir am nächsten Morgen im Altstadtviertel von Córdoba ankommen, ist es brütend heiß. Dabei haben die Kirchturmglocken gerade erst
neun Uhr geschlagen. Die Frühlingssonne scheint im Landesinneren viel stärker als an der Küste, und es wirkt fast so, als wollte das alte Pflaster die
Wärme speichern. Nach unserer langen Siesta am Vortag sind wir früh aufgewacht und noch vor dem Frühstück aufgebrochen. Jaime wollte so bald wie möglich
los, um die Innenhöfe vor den Besuchermassen zu erreichen, die zum Anlass des Patio-Festivals über Córdoba herfallen wie Heuschrecken.
    Jetzt ist noch kaum jemand unterwegs. Ein paar einsame Touristen nutzen die frühe Stunde, in der man umsonst in die Mezquita
darf. Zuerst steuern wir auf eine Bar zu. Nachdem wir uns mit einem frisch gepressten Orangensaft, getoastetem Baguette mit Tomate und Öl gestärkt
haben, fragen wir den Kellner nach den Patios. Kurz angebunden, aber freundlich drückt er uns einen Stadtplan in die Hand, in dem alle teilnehmenden
Innenhöfe eingezeichnet sind. Gegenüber der ehemaligen Königsresidenz Alcázar liegt der nächstgelegene Innenhof, aus dem Plan geht hervor, dass er den
ersten Preis als „moderner Patio“ gewonnen hat. In dem Stadtplan finde ich auch einen schönsten „alten Patio“. Nein, Jaime kann mich über die
Unterschiede nicht aufklären, also machen wir uns auf den Weg zu dem Innenhof. Dort wird man ja die Antwort bestimmt wissen. In dem Patio ist es kühl,
keine Spur von der Hitze auf dem Pflaster vor der Mezquita. Die Sonnenstrahlen, die uns gerade noch den Schweiß auf die Stirn getrieben haben, dringen
kaum bis zum Boden vor, alles ist voller bunter Blüten, und die Pflanzen sorgen für eine hohe Luftfeuchtigkeit.
    Jaime und ich blicken uns begeistert um. Da entdecke ich in dem Pflanzenmeer eine zierliche alte Dame, die sich tief über einen der unzähligen kleinen
grünen Blumentöpfe beugt, die an den Wänden hängen. Ohne uns zu beachten, greift sie zu einer ebenfalls grünen Gießkanne, die an einem langen grünen
Stab befestigt ist, und beginnt mit Bedacht ihre Blumen zu gießen. „Buenos Días“, sage ich laut, um sie auf uns aufmerksam zu machen. Aber erst, als
Jaimes sonore Stimme erklingt, blickt sie auf. „Oh, ich habe euch gar nicht gesehen“, sagt sie freundlich. „Wir wollten fragen, worin der Unterschied
zwischen modernem und altem Patio besteht“, frage ich

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