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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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trotzdem kalt an. Manche Neubauten hatten Klimaanlagen, die sich auf „warm“ schalten ließen, moderne Einfamilienhausarchitekten gönnten ihren Kunden für die kühlen Monate im Jahr eine Fußbodenheizung. Die meisten älteren Gebäude jedoch hatten keine künstliche Wärmequelle und waren so luftig, beziehungsweise schlecht isoliert, wieWairoa 63. Das konnte bei acht Grad in der Nacht durchaus ungemütlich sein.
    Aber von Deutschen Mitgefühl für die Härten des australischen Winters zu erhoffen, das war vermutlich auch etwas viel verlangt. Zumal wenn in Hamburg alle sehnsüchtig auf den Sommer warteten, der Juni sich jedoch hartnäckig als nass und „für die Jahreszeit zu kühl“ erwies. Das kannte ich nur zu gut, und so sagte ich folglich auf Wetterfragen nur noch: „Och ja, es ist nett, die Tage sind zwar kurz, und abends wird es frisch, aber es ist meist sonnig.“ Was stimmte. Für mich behielt ich allerdings, dass ich mir mangels lebendigen Heizkörpers eine Wärmflasche zugelegt hatte. Ich verschwieg auch, dass ich mit Socken und Sweatshirt ins Bett ging.
    Den Einheimischen gegenüber war ich ehrlicher. „Was machst du?“, rief Rob eines Abends ins Telefon und klang, als säße er schon im Auto. Donnerstag war sein Lieblings-Ausgehtag, aber er hasste es, irgendeine Aktivität mehr als zwei Stunden im Voraus zu planen. „Ich friere“, platzte ich heraus. Er fand, das sei keine richtige Antwort. „Nein, heute Abend meine ich? Was hast du nachher vor?“ „Später friere ich noch mehr.“ Ich hatte den ganzen Tag ohne viel Bewegung am Schreibtisch gesessen, und mir war wirklich kalt. Rob wollte wissen, was ich eigentlich für eine Bettdecke hatte. Ich zögerte. Unsicher, ob das eine Information war, die ich mit einem männlichen Bekannten vom Kaliber Herzensbrecher teilen wollte. Ach, auch egal, entschied ich und beschrieb ihm meine Kombination aus Bettlaken, Wolldecke und Schlafsack. Am anderen Ende der Leitung machte es „Oh-kay!“ und dann „See you“ und dann „klick“. Er hatte aufgehängt. Das fand ich nicht sehr höflich.
    Eine halbe Stunde später wummerte es an meiner Tür. Ich machte auf und sah ein Schaf in Lebensgröße. Das heißt, es handelte sich natürlich um das geschönte, kuschelweiche Foto eines Schafes vor grünem Hintergund auf einemtürbreiten Pappkarton. Dahinter lugte Rob mit einem Grinsen hervor. „Germans“, feixte er. „Ihr denkt doch alle, in Australien ist es ständig 35 Grad warm und immerzu scheint die Sonne, stimmt’s?“ Dann schob er mir das Schaf in die Arme. „Nagelneu, kannst du behalten, wenn du willst. Hat mir meine Mutter letztes Jahr geschenkt, allerdings schon zum dritten Mal. Wird langsam etwas vergesslich, die Gute.“ In dem Karton steckte eine orginalverpackte Bettdecke aus südaustralischer Schafwolle. Zwei mal zwei Meter groß, fluffig und leicht. Herrlich. Am liebsten wäre ich direkt daruntergekrochen. Aber Rob schlug vor, ich könne ihn vorher ja als Dankeschön noch zu heißer Schokolade und portugiesischem Kuchen ins „Hernandez“ einladen. Da hatte er auch wieder recht. Das Café in Darlinghurst war eines der wenigen, die rund um die Uhr mit Heißgetränken und sehr köstlichen Kuchen verwöhnten. Im Übrigen war es dort selbst abends noch schön warm.
    Seit einer Weile gab es außer Micks und Lees ständig offenstehender Wohnungstür noch eine zweite, in der ein Badelatschen das Zufallen verhinderte: der Eingang zur Wohnung direkt gegenüber. Anfangs hatte dort ein eher wortkarger Schotte gehaust. Doch der war mitsamt seiner Bart-Simpson-Fußmatte verschwunden. Sein Auszug war auf eine schleppende Art und Weise vonstattengegangen, die mir seltsam vorkam, aber offenbar nicht unüblich war, denn ähnlich zogen auch die neuen Nachbarn ein: Sie tauchten immer mal wieder mit zwei Stühlen oder einer Milchkiste voller Bücher auf, einer einzelnen Stehlampe oder einem Plastiksack voller Kissen. Das ging fast zwei Wochen so, dann war der Umzug fertig. „Weißt du“, sagte Jennifer zu mir, als sie sich als neues Gegenüber vorstellte, „das ist einfach entspannter so. Und günstiger als extra einen Wagen zu mieten.“ Sie und ihr Freund hatten tatsächlich ihren gesamten Hausstand in einem lilafarbenen Holden Barina, der australischenVariante des Corsa, transportiert. Jennifer, die natürlich Jen abgekürzt wurde, war eine sehr langbeinige, sehr dünne Frau um die 30 mit meist strahlenden Augen und bürstenkurzen Haaren. Wenn sie

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