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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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Mick den Job des Grillmeisters. Eine ausgesprochen wichtige Aufgabe, die, wie Chris mir erklärte, „unter keinerlei Umständen, niemals, oh my Goodness!“ von einer Frau erledigt würde. Am Herd stehen, ja, das sei für uns okay, am Barbie: nie. Mir recht, ich riss micht nicht ums Zwiebelbraten oder Fleischwenden. Ich lehnte mich zurück, genoss das kleine Gelage an der frischen Luft und nickte dann und wann fasziniert mit dem Kopf, wenn wieder jemand mit vollen Taschen um die Hausecke kam. Jenny und Paul zwinkerten sich amüsiert zu, sie freuten sich sichtlich über meine „Einweihung“. „Fantastic, this is great!“, signalisierte ich. Jen prostete mir mit ihremLieblings-Sauvignon zu: „Find ich auch. Das machen wir von jetzt an öfter. Auf jeden Fall, wenn der Winter noch länger so milde bleibt. „Sonntags-Barbie im eigenen Hinterhof“, lobte Seb gut gelaunt, „das ist so australisch, wie es nur eben sein kann.“ Er war mit meinen Fortschritten in Sachen „Australian way of life“ zufrieden.
    Der letzte Gast kam, als es schon fast dunkel war und wir eigentlich allmählich zusammenpacken wollten. Er hatte größere Taschen dabei, als alle anderen. Die sahen allerdings nicht aus, als enthielten sie Ess- oder Trinkbares. Ihr Besitzer hielt zögernd an der Hausecke inne und musterte die Menge. Dann blieb sein suchender Blick an mir hängen. Chris unterbrach ihr Flirten und stupste mich in die Seite: „Kennst du den?“ Ich sah genauer hin, traute meinen Augen nicht und überlegte, ob Fata Morganen eigentlich auch abends funktionierten. Dann stieß ich mein Weinglas von der Milchkiste: Da stand er tatsächlich und leibhaftig: Rafael, der reisende Romantiker. Der mit großer Zuverlässigkeit unzuverlässigste aller boyfriends , den, mit Ausnahme von Sebastian, die meisten meiner australischen Freunde vermutlich für eine Erfindung hielten. „Überraschung“, grinste er und freute sich, wie gründlich ihm die gelungen war. „Da ergab sich plötzlich dieser geniale Flug in L. A., fast geschenkt“, fügte er hinzu und strich sich die Locken in den Nacken. Als müsse er sich dafür rechtfertigen, dass er „schon“, kaum zehn Wochen nach Abreise, wieder in Sydney eintrudelte, wo doch seine übliche Durchnittsreisezeit wesentlich länger war. „Die Rückkehr des Prinzen!“, deklamierte Seb theatralisch. Er sprang auf und boxte dem späten Gast zur Begrüßung kumpelhaft vor die Brust. Chris intonierte in Hochfrequenz ein besonders ausdrucksstarkes „OH MY GOD!“ Jen und Paul sahen sich stirnrunzelnd an. Ich war immer noch sprachlos. Natürlich ahnte Rafi, dass ich fand, er hätte vorher ja mal anrufen können. Aber ich hatte an diesem Wochenende schon so viel überImprovisation, Spontanität und Easy Going gelernt. Eine Lektion mehr würde mir auch nicht schaden. Take it easy, relax. Wie ging noch das schöne deutsche Sprichwort von den Festen, die man feiern sollte, wie sie fielen?

Juli
    In der nächsten Woche fielen mir ständig weitere Zitate aus dem reichen Schatz deutscher Lebensweisheiten ein. Sie gingen in etwa so: „Wer rastet, der rostet“ oder „In der Kürze liegt die Würze“, dann war da noch der gern wiederholte Lieblingsratschlag meiner Großmutter: „Willst du gelten, mach dich selten.“ Nachdem der Globetrotter entjetlagt war und wir uns halbwegs wieder aneinander gewöhnt hatten, bewunderte ich nächtelang die Ergebnisse seiner neuen Leidenschaft, der Fotografie. Dann war es Zeit, wieder auf Abschiedsmodus zu schalten. Diesmal war nicht der Nomade schuld, sondern die Arbeit. Ich würde für eine Reportage ins Northern Territory reisen und freute mich riesig. Nicht weil es da oben warm war und in Sydney kühler wurde. Ich konnte nach all den Monaten am Strand einfach kaum mehr abwarten, das andere Australien kennen zu lernen, die Wildnis, den roten Staub, die Heimat von Krokodilen und Schlangen, die Region, in der noch die meisten Aborigines lebten. Ich war reif fürs Outback und jenen Norden, von dem in Sydney kaum jemand etwas wissen wollte. Das heißt: Alle wussten, dass es „da oben“ ziemlich ruppig, fast gefährlich zugehen solle, „very different“. Selbst dort gewesen war allerdings niemand.
    „Nach Darwin?“, fragte Christine, als handele es sich um eine ansteckende Krankheit, „bist du sicher?“. Das unvermeidliche „Oh my God!“ klang diesmal geradezu ängstlich. Wirklich? Arnhem Land? „Ohs“ und „Hms“ gemixt mit höflichem Erstaunen waren die

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