Ein Jahr in Australien
vor sich hinstaubte, von Spinnweben zu befreien, und wer wollte, konnte Freunde einladen. Der Sommer war schon lange vorbei, egal, wir machten trotzdem eine Grillparty. Ich freute mich und fing an zu überlegen. Der Van stand einsatzbereit vor der Tür. Wer würde was vorbereiten und wo sollten wir was einkaufen? Jen sagte, sie mache einen Salat, Mick wollte Brot besorgen. „Mach doch auch einen Salat“, meinte meine Nachbarin, als ich zum x-ten Mal fragte, was wir denn nun besorgen müssten und wie und wann. Sollte ich Wein kaufen fahren? Einen Karton Bier? Fleisch? Würstchen? Scampis? Und wenn ja, für wie viele Leute? Ach, egal, wisse sie auch noch nicht so genau, take it easy, love, das wird schon. Eine konkretere Antwort bekam ich nicht aus ihr raus. Aber wie sollte ich denn so anständig planen? Morgen war Sonntag!
Schließlich dämmerte Jen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wie eine australische Party, in diesem Fall ein spontanes Housewarming-Barbie, funktionierte. Sie lachte eine ihrer fröhlichen Tonleitern und weihte mich ein: „Du kaufst einfach für dich ein, Wein oder Würstchen, oder was du eben magst. Und weil das Ganze in unserem Haus oder besser gesagt Garten stattfindet, machen wir eben noch einpaar Salate und holen Brot und bringen ein paar Soßen aus dem Kühlschrank runter. Easy.“ Und was essen und trinken die Gäste? „BYO“, sagte sie. „Die bringen alle was mit.“
BYO kannte ich aus Restaurants. „Bring Your Own“ stand für eine Art Selbst-ist-der-Gast und bedeutete, dass Lokale, die keine Lizenz für Alkohol hatten, den Gästen erlaubten, ihren eigenen Wein mitzubringen oder das Sixpack ihrer Wahl. Das machte das Essengehen zwar manchmal etwas kompliziert – ich wenigstens wusste oft nicht vorher, ob ich nun Lamm oder Fisch oder Nudeln bestellen und dazu weißen oder roten Wein oder Bier trinken würde. Andererseits wurden dank BYO Restaurantbesuche günstiger, denn die meisten Lokale berechneten nur ein paar Dollar fürs „Entkorken“. Und der Wein aus den bis in die Nacht geöffneten „Bottle Shops“ war natürlich billiger als der, den der Haus-Sommelier im Restaurant empfahl. Andererseits kam ich mir nach wie vor seltsam vor, wenn ich mit meinem Shiraz in einer braunen Papiertüte unterm Arm ein gutes oder gar besseres Lokal betrat. Doch der Ober nahm die Flasche jedes Mal ganz selbstverständlich und ohne mit der Wimper zu zucken entgegen, verschwand mit ihr in der Küche und brachte sie später mit Gläsern zurück an den Tisch.
Und nun gab es BYO also auch für Grillpartys, sorry: für Barbies. Keine Kisten voller Wein und Bier kaufen zu müssen machte, ganz nebenbei bemerkt, ja solche „Einladungen“ auch ziemlich preiswert. Auf jeden Fall für die Gastgeber. Als Mick Sonntag gegen Mittag anfing, seinen Profigrill zu befeuern, trudelten nach und nach unsere Gäste ein: ein paar von Jens Freundinnen, der Franzose aus dem Erdgeschoss, sogar die leise Liz aus der Wohnung unter mir schaute auf ein schüchternes „Hallo“ vorbei. Rob, Lee und Surfer-Rick kamen und im Laufe des Nachmittags noch ein halbes Dutzend Leute, die ich nicht kannte. Es war nett. Und alle wussten natürlich über BYO Bescheid. Sie wussten außerdem,dass das Selbstversorgerprinzip nicht nur für den Alkohol galt. Rick und sein Freund schleppten ihr voraussichtlich zu konsumierendes Bier in einer tragbaren Kühlkombi in den Garten. In ihrem blauweißen Esky, ich tippte mal von Eskimo, froren zwischen den Flaschen zwei Familienpackungen Würstchen. Auch die anderen hatten Taschen und Tüten dabei, aus denen keineswegs nur Getränke zum Vorschein kamen. Die Leute brachten ihre eigenen Steaks und Spieße und Koteletts und Lachsfilets mit. Sebastian steuerte aus dem Hotel einen Korb frisch gebackener Brote bei. Christine hatte es nicht zum Supermarkt geschafft und stellte statt Grillgut ein Tablett mit Kuchen vom Laden an der Ecke auf den Tisch. Dazu brachte sie ihren Bruder und zwei Freunde mit. BYO, merkte ich, war auf viel mehr als nur Alkohol anwendbar.
Einfach und sehr stressfrei war diese Art, Feste zu feiern, das musste ich zugeben. So konnte man eigentlich ständig spontane Partys organisieren, ausgesprochen unkompliziert. Nicht mal um Musik hatten wir uns vorher Gedanken gemacht. Fred, der Franzose aus dem Erdgeschoss, stellte in seine offenen Fenster einen Lautsprecher und bediente die Anlage per Fernbedienung. Wir hockten auf Milchkästen und Plastikstühlen und überließen
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