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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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lachte, was sie oft tat, klang das, als übe sie Tonleitern. Als ich ihren Freund zum ersten Mal sah, hielt ich ihn für ihren Zwillingsbruder: Paul hatte ebenso lange Beine, genauso leuchtende Augen und nur unwesentlich längere Haare. Dritter im Bund war eine ingwergelbes, faustkleines Knäuel namens Sunshine. Sunshine wurde Sunny gerufen, nie jedoch Sunno, schließlich war sie kein Kerl, sondern eine Katze. Auch aus Paul konnte man aus unbekanntem Grund keinen Paulo machen und nur in Notfällen einen Paulie, weshalb einige seiner Freunde ihn logischerweise Thommo riefen. Seine Freundin klärte mich auf: Das läge daran, dass Pauls Nachname Thomson sei. Sicher, Nachnamen gab es ja auch noch. Das hatte ich inzwischen fast vergessen. Außer wenn in den Nachrichten Premierminister Howard oder einer seiner Widersacher erwähnt wurde, war eigentlich nie von Nachnamen die Rede. Grundsätzlich schienen in diesem Land nur Vornamen zu zählen, selbst in offizieller Umgebung: Die Jungs und Mädchen an der Kasse im Supermarkt trugen Namensschilder, die sie als Jordan und Kim, Ming und Hui und Amelia und Zoe identifizierten. Der nette Mensch auf der Post, der mir immer die „Air Mail“-Aufkleber schenkte, hieß laut Sticker Brett. Wobei die Post in Bondi Beach vielleicht auch nicht ganz im landesüblichen Durchschnitt lag: Aus einer Minianlage über den Schaltern tönte Reggae oder Radio Nova oder Coldplay, einer der Angestellten trug einen Pferdeschwanz über der Uniformjacke, und sein Kollege eine ganze Serie silberner Ringe im linken Ohr. Aber auch die Dame in der Bank, bei der ich mein Konto eröffnete, hatte sich schlicht als Daisy vorgestellt. Dann hatte sie mir – übrigens ungefragt – erklärt, wenn ich demnächst einen Kredit für meine Wohnung bräuchte, solle ich darübermit James reden. Fein, immer gern. „Hi James, I’m Jules, wie wär’s denn mit ein paar Hunderttausendern auf Pump?“ Nun, das hatte vielleicht noch etwas Zeit. Doch für jemanden mit einem Nachnamen, der auf deutsch schwierig, auf Australisch jedoch unaussprechlich war, hatte diese Sitte viele Vorteile.
    Mit Jen und Paul kehrte im Haus eine Art lässige WG-Stimmung der offenen Türen ein. Das heißt, eigentlich lag das anfangs vor allem an Sunny. Denn die nur ein paar Monate alte Katze war nicht nur ungemein niedlich, sondern ebenso neugierig. Sie erkundete jeden Winkel in Haus und Garten, sprang durch offene Badezimmerfenster und ging nach kurzer Zeit in jenen Wohnungen, in denen keine Katze mit älteren Rechten hauste, ganz selbstverständlich ein und aus. Vor allem gefiel ihr das Terrain, das ihrem Zuhause gleich gegenüberlag: meine Wohnung. Um Sunnys Leben nicht unnötig zu verkomplizieren, stand seither auch meine Wohnungstür offen, und damit wurden meine Tage geselliger: Sunny kam zum Spielen und Sonnenbaden auf der Fensterbank, Paul brachte immer zwei Bier mit, und Jen kam sofort, wenn sie meinen Espresso roch. Und das war gut so. Denn die beiden waren eines dieser Ausnahmepaare, bei denen nicht sie wirklich klasse und er so mittel war – oder umgekehrt. Vielmehr waren beide gleich sympathisch und dazu auch noch nett zueinander. Und das, obgleich Paul ein Pom war. Jen kam aus Brisbane und lebte seit Jahren in Bondi. Sie hatte Paul beim Snowboarden in Neuseeland getroffen und den Engländer schwer verliebt einfach mit nach Hause genommen. Beide hatten ihre ursprünglichen Jobs – Model und Marketing-Mensch – vor einer Weile an den Nagel gehängt, um, wie sie sagten, zu entstressen, es locker angehen zu lassen. Für die Miete arbeitete er als Barista und sie als Kellnerin. Den Großteil ihrer Tage allerdings hatten sie für sich, fürs Meer oder für Besuche auf meiner Fensterbank.
    „Eine House-Warming-Party!“, sagte Jenny aus heiterem Himmel während einer dieser Plauderstunden. Es sei höchste Zeit für eine Einweihungsfeier. Ich sah mich in der Wohnung um, die zwar nicht winzig war – aber partytauglich? Wir könnten draußen was machen, schlug Jen vor, und jeder im Haus jemanden einladen. Praktischerweise hatte der Juni gen Ende vergessen, dass er eigentlich im Winter lag. Seit ein paar Tagen wurde es selbst abends nicht mehr kühl. Perfekte Bedingungen für ein Sonntags-Barbie im Garten hinterm Haus, fanden meine Nachbarn. Als sie die Fragezeichen auf meiner Stirn sahen, übersetzten sie: „Barbie, kurz für Barbecue.“ Mick erklärte sich bereit, seinen Profi-Grillmaster, der neben dem Schuppen unter einer Plane

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