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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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Fragen und lernte gleich am Anfang: Fragen galten als furchtbar indiskret, vor allem persönliche.
    Schon das für uns unverbindliche „Wie heißt du?“ machte Phil ziemlich verlegen. Phil war 16 und aus der Aborigine-Gemeinde Manyallaluk. Er und zwei Leute aus seinem Ort nahe Katherine gehörten zu einer kleinen Gruppe Unerschrockener, mit der ich durchs Outback oder genauer: durch den Nitmiluk Nationalpark wanderte. Ich hatte beschlossen, Staub zu schlucken und im Freien zu schlafen. Auf die Art, so hoffte ich, würde ich diese Landschaft intensiver erleben als durch ein Auto- oder Busfenster. Dass uns drei Aborigines begleiteten, war Glück. Manchmal, so unser Guide Russ, komme Phil mit, manchmal nicht, manchmal lade er noch Freunde ein.
    Für den ruhigen Jungen im Eminem-Shirt, erfuhr ich später, klang meine Frage nach seinem Namen etwa so, als fragte mich ein Fremder nach dem ersten Händeschütteln: „Und, mit wem sind Sie letzte Nacht nach Hause gegangen?“ Peinlich. Aber wie sollte ich denn dann erfahren, mit wem ich redete? „Erzähle, wer du bist oder wen du in der Gegend kennst. Vielleicht sagt der andere dann auch etwas über sich“, lernte ich später in Arnhem Land. Noch aber stapfte ich durch Nitmiluk, ein Stück weiter östlich, und versuchte weitere Fettnäpfchen zu vermeiden. Ich zügelte meine Neugierde, übte Schweigen und Zuhören, und lernte zurBelohnung am Abend eine andere Lektion: die über Geräusche in der Outback-Nacht. Nitmiluk bedeutete in Phils Sprache so viel wie „Ort, an dem die Zikaden singen“, doch die unsichtbaren Grillen hatten ihr Konzert längst beendet. Der Halbmond lag auf dem Bauch, falsch rum, wie üblich am anderen Ende der Welt. Durch die Maschen meines Moskitonetzes funkelte das Kreuz des Südens. Es war unwirklich ruhig. Nur ab und zu gluckste eine Welle auf den Sand. „Ein Freshie“, hörte ich leise Phil neben mir sagen. Er zeigte aufs gegenüberliegende Flussufer. Im Strahl seiner Taschenlampe leuchteten zwei orangefarbene Kugeln: die Augen eines Süßwasser-Krokodils. „Auf der Jagd“, flüsterte der Junge, und ich war froh, seine Stimme zu hören. „Freshies“, von fresh water , fraßen zwar lieber Fische und Insekten als Menschen – im Gegensatz zu ihren Salzwasser-Verwandten, den „Salties“. Trotzdem beruhigte mich, dass außer mir und Australiens Reptilwelt noch jemand wach war. Kein Auge würde ich zumachen, solange dieser orangeäugige Kerl da drüben sein Nachtmahl suchte, ob nun frisch oder salzig war mir absolut schnuppe.
    Als Stunden später am Oberlauf des Katherine-Flusses die ersten Sonnenstrahlen über die Felsen kletterten, hatte ich natürlich trotzdem tief geschlafen. Russ hatte Holz geholt und das Lagerfeuer wieder angepustet. Phils älterer Freund Sam schaute an mir vorbei, nickte aber freundlich, als ich sagte: „Das Teewasser kocht.“ Blickkontakte zwischen Fremden, das wusste ich inzwischen, waren hier oben auch nicht üblich. Sams Gesicht umrandete ein schneeweißer Bart, der mich an den Mond der letzten Nacht erinnerte. Ich rollte meine Isomatte zusammen und sah zum Flussufer. Vom „Freshie“ keine Spur, dafür entdeckte Phil die Spuren eines Kängurus im Sand. Etwa zwei Meter neben der Stelle, an der ich zwischen drei Stöcken das Moskitonetz über meiner Matte aufgehängt hatte. Meine Verwandtschaft hatte wohldoch recht, ich war ignorant. Ich hätte einfach nicht einnicken dürfen.
    Nach zwei Stunden Marsch durch hohes Gras und lichte Eukalyptuswälder wurde die Luft heißer und mein Rucksack schwer. Ich hatte nur das Nötigste dabei, ein Zelt brauchte man in der Trockenzeit nicht, die wichtigsten Kleidungsstücke, Hut, Hemd und Stulpen, trug ich am Leib. Kochtöpfe und Vorräte waren das Schwerste im Gepäck, dabei schleppte Russ bestimmt dreimal so viel wie wir anderen. An einem Tümpel, den sie in diesem Teil des Kontinents Billabong nannten, füllten wir unsere Flaschen auf. Unser Guide war zufrieden: Obgleich die Wet Season schon eine Weile zurücklag, waren die Zuflüsse des Katherine-Rivers noch nicht ausgetrocknet. „Bushwalking am Ende der Dry Season , ist doppelt hart“, erklärte der etwas wortkarge Mittfünfziger. „Wenn keine Quellen zu finden wären, müssten wir auch das Trinkwasser tragen.“ Russ kannte die Schönheiten und Risiken des Outbacks vermutlich besser als seine Nachbarschaft in Darwin. Seit zwanzig Jahren führte er Naturbegeisterte durch Australiens Norden, in trockenen wie nassen

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